Was tun, wenn Projekte einfach nerven?

Was tun, wenn Projekte einfach nerven
Lesedauer: 4 Minuten

Es muss nicht gleich die Größenordnung des Flughafens Berlin sein, spricht man über Projekte, die Zeit- und Kostenrahmen sprengen. Projektarbeit dominiert als Organisationsprinzip in den meisten Unternehmen und Konzernen. In schönster Regelmäßigkeit werden auch hier kleine, mittelgroße und richtig große Projekte nicht rechtzeitig fertig, gehen meilenweit an der ursprünglichen Zielsetzung vorbei – und kosten damit allen Beteiligten Nerven.

WEN Projekte WIE nerven können, was das mit Hierarchien zu tun hat, und warum weniger einfach mehr ist, erklärt Uwe Techt, Geschäftsführer der Unternehmensberatung VISTEM aus Heppenheim, im Interview.

Warum gibt es eigentlich Projekte?

Uwe Techt: Ganz einfach: weil wir Ergebnisse brauchen. Und um Projekte durchführen zu können, benötigen wir Abteilungen oder bereichsübergreifende Zusammenarbeit. In den zwei Prozent der Weltgeschichte, seit es den Homo sapiens überhaupt gibt, arbeiten wir erst in größeren Stämmen, Gruppen, Teams oder Organisationen zusammen. Das war ein tolles Prinzip über viele Jahrtausende. Sonst hätte man es gar nicht hinbekommen, dass hunderte oder auch zehntausende Menschen zusammenarbeiten können.

Wie lange läuft es bereits gut mit den Projekten und der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit?

Uwe Techt: Denken Sie 50 Jahre zurück. Ein Unternehmen mit rund 1000 Beschäftigen setzt ein einziges Projekt in Gang. Alle, die daran mitwirken dürfen, sind begeistert. Sie fühlen sich geehrt und wissen, wie wichtig das Projekt für die Firma ist. Dieses eine Projekt hat die volle Aufmerksamkeit des Managements. Am Ende steht ein gutes Ergebnis und alle Projektbeteiligten werden dafür gelobt.

Und ab wann kippt es?

Uwe Techt: Die Idee, dass man mit einer organisationseinheiten- und bereichsübergreifenden Zusammenarbeit eine Sache schneller erledigen kann, funktioniert wunderbar – aber nur so lange, wie es wenige Projekte gleichzeitig gibt. In einer Studie zu „Multitasking im Projektmanagement“, die wir in Kooperation mit Prof. Dr. Ayelt Komus, Professor für Organisation und Wirtschaftsinformatik an der Universität Koblenz, durchgeführt haben, gaben nur zwei Prozent der Befragten an, typischerweise nicht an mehreren Aufgaben parallel, sondern nur an einer Aufgabe gleichzeitig zu arbeiten.

Auszug aus der Studie „Multitasking im Projektmanagement – Status Quo und Potentiale“(Auszug aus der Studie „Multitasking im Projektmanagement – Status Quo und Potentiale“)

Sind in Organisationen eigentlich alle gleichermaßen von Projekten genervt?

Uwe Techt: Leute, die sich voll auf „ihr“ Projekt konzentrieren können, die können daran sicherlich richtig Spaß haben. Oder auch Projektmanager, die davon „leben“, viele Projekte gleichzeitig koordinieren zu müssen. Das heißt, in dem Sinne, dass sie daraus ihr Selbstverständnis, ihren Wert erleben und damit erfolgreich sind. Wenn Sie aber jetzt z. B. die Perspektive einer Geschäftsführerin, eines Vorstands oder eines Bereichsleiters einnehmen, also von jemandem, der in seinem Unternehmen die laufenden Projekte beobachtet und auch noch eigene Projekte anstößt: Jedes Mal, wenn er oder sie so ein Projekt anstößt, ist damit die Hoffnung verbunden, dass relativ schnell etwas Fruchtbares dabei rauskommt. Und das möglichst so, dass man sich nicht laufend darum kümmern muss. Das ist das Wunschbild. So war es früher ja auch, als es anfing mit den Projekten. Nur die Realität sieht heute völlig anders aus. Da wird ein Projekt angestoßen und es ist keinesfalls sicher, dass es einigermaßen gut vorankommt. Es ist keinesfalls sicher, dass ein Projekt größtenteils ohne die Mitwirkung z. B. des Bereichsleiters vorankommt. Sondern da gibt es Konflikte, man muss sich kümmern, intervenieren, mit Kollegen streiten, was hat jetzt die höchste Priorität … Das Projekt an sich, die Arbeit, die erledigt werden soll, die nervt nicht. Aber dieses ganze Drumherum, das nervt.

Was können Organisationen tun, damit Projekte weniger nerven?

Uwe Techt: Macht weniger Projekte gleichzeitig. Alles andere ist Kosmetik. Indem Organisationen weniger Projekte gleichzeitig machen, können sich die Projektlaufzeiten um die Hälfte oder mehr verkürzen. Und: Mittlere und höhere Führungskräfte verbringen heute einen Großteil ihrer Arbeitszeit mit Konflikten. Das sind weniger Konflikte, die von außen an das Unternehmen herangetragen, sondern meist Konflikte, die selbst erschaffen werden. Etwa wenn um die notwendigen Ressourcen gekämpft werden muss, weil zu viele Projekte gleichzeitig laufen. Diese Zeiträume, die Menschen in diesen unnötigen Konflikten zubringen, das ist auch Zeit, in der sie keine Ergebnisse für das Unternehmen erzeugen können. Laufen weniger Projekte gleichzeitig und sind diese dadurch kürzer: Dann ist jeder einfach weniger genervt und gestresst durch die Projekte.

An diesem Punkt fordert man häufig die Verantwortlichen in den Organisationen dazu auf, „mutig“ für Veränderungen zu sein …

Uwe Techt: Mut etwas zu verändern, das kann man nicht einfordern. Wenn ich als begleitender Berater eine Aufgabe habe, dann ist es die, dass ich bei den Verantwortlichen intrinsisch das Bedürfnis nach Veränderung und die Entwicklung dieses Muts fördere. Und dann kann es passieren, dass jemand sagt: „Ich will das zukünftig anders, ich sehe jetzt für mich einen Weg, wie ich das weitestgehend selbstwirksam umsetzen kann. Und ich glaube daran, wenn wir diesen Weg gehen, dann wird es besser.“ Aber das kann man nicht fordern. Wir als Berater können durch die Art und Weise, wie wir Dinge darstellen und wie wir kommunizieren, nur einen Beitrag dazu leisten.

Was lässt sich für Organisationen umsetzen, die das Prinzip von „weniger ist mehr“ in Sachen Projektarbeit schon erfolgreich adaptiert haben?

Uwe Techt: Die Organisationen machen nicht einfach nur „weniger gleichzeitig“, sondern sie wollen damit ja auch etwas erreichen: verkürzte Durchlaufzeiten oder eine höhere Liefertreue zum Beispiel. Diese Wettbewerbsvorteile sprechen sich bei bestehenden und potentiellen Kunden schnell rum und können die Nachfrage stark ankurbeln. Das Unternehmen muss dann aufpassen, nicht wieder alte Fehler zu wiederholen, nämlich zu viele Projekte auf einmal zu bearbeiten. Deshalb lohnt es sich, bereits von Anfang an diese nächste Phase mitzuplanen, damit Kapazitäten schnell erweitert werden können. Auch hier gilt, immer zuerst die bestehenden Prozesse innerhalb des Unternehmens zu untersuchen und erst einmal intern alle Verbesserungsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Über den Interviewpartner:

Uwe TechtUwe Techt ist Geschäftsführer der VISTEM GmbH & Co. KG und gilt als Vorreiter im deutschsprachigen Raum für die Nutzung der Theory of Constraints (TOC) und des Critical Chain Projektmanagements. Als strategischer Denker für grundlegende Verbesserungen und Durchbruchsinnovationen ist der Topmanagement Coach auch gefragt als Speaker und Autor. Zuletzt von ihm erschienen ist das Fachbuch „PROJECTS that FLOW“.

 
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1 KOMMENTAR

  1. Echt gut geschrieben und auf den Punkt gebracht! Man wird langsamer, wenn man mehrere Sachen gleichzeitig macht. D.h. die Projekte dauern entsprechend länger, weil man z.B. bei 5 gleichzeitigen Sachen durchschnittlich nur 20% seiner Zeit in eine Sache investieren kann. Dadurch verzögert sich jede einzelne Sache entsprechend.

    Aber biete mal einem Kunden Folgendes an:

    1) „Wenn wir dein Projekt jetzt anfangen, sind wir in einem Jahr damit fertig, da wir noch viele andere Themen haben.“

    2) „Wir können mit deinem Projekt erst in einem halben Jahr anfangen, da wir erst die anderen Themen fertig machen wollen. Dein Projekt ist dann nach einem weiteren halben Jahr fertig“

    Der Kunde muss in beiden Fällen ab Auftragsvergabe 1 Jahr auf sein Ergebnis warten.
    Bei Angebot 2) würden die Ergebnisse aber wahrscheinlich viel besser sein, da sich zu 100% darauf konzentriert werden kann – daher auch die kürzere Projektdauer.
    Trotzdem wird sich der Kunde wahrscheinlich für Auftrag 1) entscheiden, da er ja auch sofort bedient wird und nicht erst warten muss. Wenn diese Denke nicht wäre, würden viele Projektergebnisse wesentlich besser und viele Kunden wesentlich zufriedener sein.

     

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