Unternehmen vor Fachkräfte-Krise: Zukunftsstrategien dringend benötigt!

Unternehmen vor Fachkräfte-Krise
Lesedauer: 5 Minuten

Der Mangel an Fach- und Führungskräften wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Die Unternehmen müssen daher Strategien entwickeln, um den daraus resultierenden Herausforderungen zu begegnen.

Derzeit fehlen Arbeitskräfte in fast allen Berufen – branchen- und funktionsübergreifend. Alle Unternehmen klagen: Hilfe, es wird immer schwieriger, die benötigten Fach- und Führungskräfte zu finden.

Verständlich, denn die geburtenstarken Jahrgänge scheiden zunehmend aus dem Erwerbsleben aus. Konkret bedeutet dies: Aufgrund der geringen Zahl an Nachwuchskräften werden in den nächsten Jahren – ohne eine wirksame Zuwanderungsstrategie – fast doppelt so viele Menschen den Arbeitsmarkt verlassen wie neu hinzukommen. Die Personalverantwortlichen in den Unternehmen müssen sich daher auf neue Herausforderungen einstellen. Einige Tipps, wie sie diese meistern können.

  1. Je passender eine Stelle besetzt wird, umso geringer ist der Führungsaufwand. Und umgekehrt.

Unternehmen sollten sich bewusst sein:

  • Je größer die Zahl der Bewerber auf eine vakante Stelle ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich darunter eine Person befindet, die voll und ganz die fachlichen und persönlichen Anforderungen an den neuen Mitarbeiter erfüllt. Und:
  • Findet ein Unternehmen eine solche Person, bleiben ihm viele Aufwände erspart, die es ansonsten in das Führen und Entwickeln des neuen Mitarbeitenden stecken müsste.

Bisher war eine effektive Personalauswahl der „Plan A“ der Unternehmen und hierfür haben sich in ihnen im Lauf der Jahre viele ausgeklügelte Tests und Systeme etabliert. Diese Tools verlieren an Relevanz, wenn bei einer Vakanz nur noch ein, zwei Bewerber vor der Tür stehen. Dann müssen die Unternehmen mit höheren Aufwänden für die Personalentwicklung und -führung rechnen.

  1. Sich vom Wunschbild der „eierlegenden Wollmilchsau“ verabschieden

Wenn Unternehmen die Anforderungen an einen neuen Mitarbeiter formulieren, bringen sie in der Regel ihre Wunsch- oder Traumvorstellungen von ihm zu Papier. Und diese spiegeln sich nicht nur in ihren Stellenanzeigen wider, sie gehen auch mit entsprechenden Erwartungen in die Personalauswahlgespräche. Das ist kontraproduktiv in einer Arbeitsmarktsituation, in der sich oft, wenn überhaupt, nur zwei oder drei Bewerber auf eine Stelle bewerben, denn die „eierlegende Wollmilchsau“, von der sie träumen, ist selten darunter.

Unterscheiden Sie bei der Formulierung der Stellenanforderungen klar zwischen Muss-Kriterien, also Kompetenzen und Eigenschaften, die nicht verhandelbar sind, und Soll- und Nice-to-have-Kriterien. Und überlegen Sie sich vor den Auswahlgesprächen, unter welchen Bedingungen ein Bewerber, der nicht alle Anforderungen erfüllt, trotzdem ein interessanter Mitarbeiter sein könnte. Zum Beispiel, wenn er noch eine Ausbildung macht? Oder wenn Sie bestimmte Arbeitsabläufe umgestalten? Oder wenn Sie bestimmte Teilaufgaben an Kollegen oder externe Dienstleister delegieren?

  1. Als potenzieller Arbeitgeber sichtbar und attraktiv sein

In der Vergangenheit mussten sich Interessenten für eine Stelle beim Arbeitgeber bewerben, inzwischen ist es oft umgekehrt: Die Unternehmen müssen sich bei den Interessenten bewerben.

Sie müssen also dafür sorgen, dass sie als potenziell attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden. Sei es, indem sie sich in (Hoch-)Schulen präsentieren. Sei es, indem sie ihre Firmenwagen mit einer Aufschrift wie „Werde ein Teil unseres Teams! Tel. …“ versehen. Sei es, indem sie sich in den Social Media präsentieren – und zwar so, dass dies auf die adressierten Personen attraktiv wirkt.

Bei der Außendarstellung sollten Sie beachten: Diese ist kein Selbstzweck. Sie wollen vielmehr Personen ansprechen,

  • die für Sie wertvolle Mitarbeitende sein könnten und
  • bei denen Sie eine reelle Chance haben, sie als solche zu gewinnen.

Deshalb ist es zum Beispiel für Handwerksbetriebe und regional tätige Dienstleister, die Unterstützer suchen, oft zielführender, ab und an in einem Portal wie nebenan.de präsent zu sein als auf einem Businessportal wie linkedIn.de. Oder mal in einem lokalen Anzeigenblatt, das jeder Haushalt erhält, erwähnt zu werden als in solchen Magazinen wie der Zeit oder dem Spiegel.

  1. Auch einen Plan B und C haben

Solange eine Stelle vakant, also unbesetzt ist, müssen in der Regel die vorhandenen Mitarbeitenden die nicht wahrgenommenen Aufgaben miterledigen. Das kann, wenn diese Situation länger andauert, zu überlastungsbedingten Ausfällen und sogar Kündigungen führen, die weitere Löcher in die Personaldecke reißen.

Deshalb sollten Sie, wenn Stellen in Ihrem Betrieb vakant sind, stets auch einen Plan B und C haben. Sie sollten sich also mögliche Interimslösungen überlegen. Eine solche Lösung kann sein, dass Ihr Unternehmen temporär gewisse Leistungen für Kunden nicht mehr erbringt. Oder dass Sie temporär externe Dienstleister an Bord holen. Oder dass Sie verstärkt mit anderen Unternehmen kooperieren, um Engpässe aufzufangen und Spitzen abzufedern.

  1. Bei der Personalauswahl schneller und flexibler werden

Wer Menschen für sich gewinnen möchte, muss ihnen zeigen, dass er sich für sie interessiert: durch sein Verhalten. Das tun viele Unternehmen zu wenig. Deshalb entscheiden sich nicht selten Bewerber, die Unternehmen eigentlich als Mitstreiter gewinnen könnten, letztlich für andere Arbeitgeber.

Diesbezüglich sollten viele Personalverantwortliche ihr Verhalten überdenken. So sollte es zum Beispiel für sie selbstverständlich sein, dass sie sich mit einem interessanten Kandidaten, der aktuell noch für ein anderes Unternehmen arbeitet, auch mal am Wochenende oder spät abends treffen. Oder dass sie sich sogar ins Auto setzen und zu ihm fahren oder sich mit ihm auf halbem Weg treffen. Außerdem sollten sie, wenn der Auswahl- oder Einstellungsprozess länger dauert, den heißen Kandidaten auch mal anrufen oder mit ihm einen Video-Chat führen, um …  Denn eines müssen Sie sich als Personalverantwortlicher in der aktuellen Arbeitsmarktsituation stets vor Augen führen: Die wirklich guten Kandidaten haben fast immer mehrere, wenn nicht sogar viele Optionen. Entsprechend stark müssen Sie um ihre Gunst und ihr Ja-Wort kämpfen.

  1. Die Personalpolitik den Bedürfnissen der Generation Z anpassen

Neulich sagte ein schon ergrauter mittelständischer Unternehmer bei einem Unternehmertreffen halb ernst, halb ironisch: „Wie schön war unser Leben früher. Auf jede Stellenausschreibung meldeten sich -zig Bewerber und wir konnten uns den aussuchen, der uns passte. Und in den Arbeitsverträgen konnten wir ihnen unsere Bedingungen diktieren. Und wenn jemand bei uns Karriere machen wollte? Dann musste er sich erst einmal bewähren, also nach unserer Pfeife tanzen. Erst dann wurde er befördert, mit der Erwartung, dass er uns dafür später seine Dankbarkeit – auch Loyalität genannt – erweist.“

Diese Zeiten sind vorbei, wie viele Manager beklagen. Aber sehen das die Angehörigen der Generation Z, also die jungen Frauen und Männer, die nach 1995 geboren wurden, auch so? Wohl kaum! Sie begrüßen ihre größeren Wahl- und Einflussmöglichkeiten.

Den Angehörigen der Generation Z wird oft unterstellt, sie seien weniger leistungsbereit. Doch ist das wirklich so? Ist es nicht eher so, dass insbesondere viele Klein- und Mittelbetriebe wegen der niedrigeren Bewerberzahl die Messlatte bei der Personalauswahl nicht mehr so hoch wie früher legen können?

Unser Eindruck ist: In der Generation Z gibt es prozentual gesehen etwa ebenso viele leistungsbereite Stellensucher wie früher. Weil deren Gesamtzahl aber niedriger ist, müssen die Betriebe bei den Anforderungen, die sie an Mitarbeiter stellen, heute schon oft große Zugeständnisse machen. Deshalb sind sie im Betriebsalltag verstärkt mit Mitarbeitenden konfrontiert, die beispielsweise eine geringere Eigenmotivation haben und deshalb mehr Führung brauchen.

Doch auch die Bedürfnisse der leistungsstarken jungen Mitarbeitenden haben sich geändert. Sie wollen nicht, dass die Erwerbsarbeit ihr gesamtes Leben dominiert. Die „Work-Life-Balance“ ist ihnen wichtiger als ihren Eltern. Und weil sie mehr Joboptionen haben, fordern sie solche Dinge wie geregelte Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit, die Möglichkeit, mobil zu arbeiten oder mal eine längere Auszeit zu nehmen, auch aktiver ein. Dasselbe gilt für die Chancen, beruflich voranzukommen. Die jungen Leute warten seltener als ihre Eltern darauf, dass ihnen diese gewährt werden, sie fordern diese aktiv ein. Und wenn sie diese nicht bekommen? Dann wechseln sie schneller den Arbeitgeber.

Auf diese veränderten Rahmenbedingungen müssen die Unternehmen sich einstellen. Sie müssen sich fragen, inwieweit ihre Personalpolitik insgesamt nach den Erwartungen ihrer (künftigen) Mitarbeitenden entspricht – ähnlich wie sie dies bei ihren Produkten tun, wenn sich die Bedürfnisse ihrer Kunden wandeln.

  1. Die menschliche Arbeitskraft wird teurer, also sollte man sie effektiver nutzen

„Je knapper ein Gut ist, desto teurer wird es.“ Diese betriebswirtschaftliche Binsenweisheit haben viele Unternehmer in den letzten Jahren schmerzhaft erfahren. Das gilt auch für die menschliche Arbeitskraft. Sie wird in den kommenden Jahren aufgrund ihrer demografisch bedingten Knappheit immer teurer werden. Kalkulieren Sie dies bei Ihren betriebswirtschaftlichen Planungen ein.

Wenn ein Gut knapp und somit teuer ist, sollte man sparsam oder – neudeutsch – „ressourcen-schonend“ mit ihm umgehen. Durchforsten Sie diesbezüglich Ihre Arbeitsprozesse und eruieren Sie, welche Einsparmöglichkeiten im Bereich der Human Ressource Ihnen beispielsweise die Digitalisierung bietet. 

  1. Die benötigten Arbeitskräfte selbst ausbilden und entwickeln

Eine Alternative zur Rekrutierung von Fach- und Führungskräften auf dem Arbeitsmarkt besteht darin, diese selbst auszubilden bzw. zu entwickeln. Dies ist mit Aufwand verbunden, kann aber mittel- und langfristig einen wichtigen Beitrag zur Problemlösung leisten. Denn wenn Sie beispielsweise Schulabgänger ausbilden, werden diese in Ihrem Unternehmen beruflich sozialisiert. Das heißt, sie verinnerlichen, wenn sie sich damit identifizieren, Ihre Werte, also das, was Ihnen wichtig ist. Außerdem entwickeln sie eine emotionale Bindung zu Ihrem Unternehmen. Entsprechend leicht fällt es Ihnen, sie nach der Ausbildung an Ihr Unternehmen zu binden – zumindest, wenn Sie ihnen eine mittel- bis langfristige Perspektive aufzeigen.

Und noch ein Hinweis: Wie oft Sie eine Stelle neu besetzen müssen, hängt auch von der Verweildauer der Mitarbeitenden in Ihrem Betrieb ab. Wenn Sie regelmäßig wertvolle Mitarbeitende verlieren, aus Gründen, die Sie nicht kennen, dann liegt vermutlich etwas mit Ihrer Unternehmenskultur bzw. Personalpolitik und -führung im Argen. Also sollten Sie diese überdenken.

Über die Autoren:

Doll, Klaus -PortraitKlaus Doll ist Inhaber der Doll Organisationsberatung, Neustadt an der Weinstraße (www.doll-beratung.de). Seine Frau Nikola Doll arbeitet als Business-Coach insbesondere für Klein- und Mittelunternehmen. (www.doll-coaching.de). Gemeinsam führen sie regelmäßig eine „Change-Werkstatt – to go“ durch, in der sie mit Führungskräften und Unternehmern Lösungen für akute betriebliche Probleme erarbeiten.Doll, Nikola

 
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