Viele Unternehmen haben in den letzten Jahren entdeckt: Mit dem Telefon kann man vorzüglich persönliche Kontakte zu Kunden aufbauen und pflegen. Entsprechend boomt das Telefonmarketing. Dabei übersehen die Unternehmen jedoch oft: Gerade beim Telefonverkauf kommt es nicht auf die Masse, sondern die Klasse der geführten Gespräche an.
Viele Menschen denken: Telefonieren kann jeder. Stimmt! Am Telefon quasseln kann jeder. Doch nur wenige Menschen können Telefonate so führen, dass das gewünschte Ziel erreicht wird – etwa, dass der Kunde „ja“ zum Besuch eines Außendienstmitarbeiters sagt. Oder um ein Angebot bittet. Hierfür sind gewisse Fähigkeiten nötig – zum Beispiel muss man sich auf fremde Personen schnell einstellen können. Außerdem muss man Botschaften zwischen den Zeilen wahrnehmen können. Das ist gerade beim Telefonieren sehr wichtig, denn hierbei sieht man sein Gegenüber – und somit auch seine Mimik und Gestik – nicht.
Das will gelernt sein. Das merken speziell Unternehmen, die ihren Kunden erklärungsbedürftige Güter verkaufen, immer wieder. Also schulen sie ihre Agents, so werden die Damen und Herren am Telefon genannt, kontinuierlich … und bezahlen sie angemessen. Denn sie wissen: Gute Telefonverkäufer sind rar. Und bis eine Person wirklich fit am Telefon ist, vergeht Zeit.
Anrufen oder angerufen werden?
Bei der Telefonkommunikation unterscheidet man zwischen Inbound- und Outbound-Gesprächen. Inbound-Gespräche werden alle Telefonate genannt, bei denen ein Kunde oder Interessent von sich aus anruft. Zum Beispiel weil er eine Frage hat. Als Outbound-Gespräche hingegen werden Telefonate bezeichnet, bei denen der Agent selbst den (Noch-nicht-)Kunden anruft – zum Beispiel, um ihm etwas zu verkaufen.
Auch Inbound-Gespräche zu führen ist anstrengend – speziell dann, wenn die Anrufer häufig gestresst und verärgert sind. Die Königsdisziplin beim Telefonieren ist jedoch das Führen von Outbound-Gesprächen mit dem Ziel, der angerufenen Person ein „ja“ zu entlocken – zum Beispiel das „ja“ zum Besuch eines Firmenvertreters. Für diese Aufgabe setzen professionelle Callcenter ihre besten Mitarbeiter ein. Denn sie wissen, wie schnell Kunden genervt reagieren, wenn ihnen Firmenvertreter immer wieder telefonisch etwas offerieren, das sie entweder gar nicht oder jetzt nicht brauchen.
Am Ball bleiben, ohne lästig zu werden
Aus Kundensicht wirkt dieses „am Ball bleiben“ zuweilen lästig, aus Unternehmenssicht ist es jedoch vielfach nötig. Hierfür ein Beispiel: Unser Büro wurde drei Jahre lang telefonisch vom Vertragshändler eines Kopiergeräteherstellers „belästigt“. Circa alle drei Monate rief der an und fragte sinngemäß: „Haben Sie einen Kopierer als Einzelgerät?“ … „Funktioniert er noch?“ Und stets lautete die Antwort: „Ja!“ Doch nach drei Jahren gab das betagte Gerät endgültig den Geist auf. Und welcher Lieferant fiel uns als erster ein? Sie haben richtig geraten! Und welcher Händler lieferte uns den leistungsstarken und hochwertigen Drucker mit Kopierfunktion, der heute in unserem Büro steht? Erneut richtig geraten!
Die zentrale Frage beim Telefonverkauf lautet deshalb oft nicht, ob potenzielle Kunden regelmäßig angerufen werden sollen. Sie lautet vielmehr: Wie führe ich die Gespräche so, dass die angerufenen Personen nicht das Gefühl haben „Schon wieder so ein telefonischer Klinkenputzer“?
Die Gespräche gut vorbereiten
Und hier kommt ein Vorteil zum Tragen, den Outbound- gegenüber Inbound-Gespräche haben: Sie können sich darauf vorbereiten und den Zeitpunkt des Anrufs selbst bestimmen. Diesen Vorteil sollten Sie nutzen. Das tun viele Callcenter – scheinbar. Unter anderem, indem sie für ihre Mitarbeiter ausführliche Leitfäden für deren Gespräche verfassen. Entsprechend wirken die Telefonate: standardisiert und unpersönlich. Und als angerufene Person fragt man sich: Warum spulen die kein Tonband ab? Das wäre billiger und besser. Deshalb der Tipp: Arbeiten Sie nie mit ausformulierten Telefonscripten. Machen Sie sich lieber einen Stichwortzettel. Und üben Sie zum Beispiel mit einem Kollegen, das Gespräch locker und mit wechselnden Formulierungen zu führen.
Überlegen Sie vorab auch: Wen rufe ich an? Und wie könnte ich das Interesse der betreffenden Person wecken? Bei den meisten Telefonverkäufern sind die Gespräche wie folgt aufgebaut: „Guten Tag, mein Name ist Heinz Müller. Ich arbeite für die Firma x. Wir vertreiben Kopierer. Wir haben zurzeit ein besonderes Angebot …“ Das heißt, der Kunde kommt im Gespräch gar nicht vor. Versuchen Sie stattdessen stets, den Kunden persönlich anzusprechen und mit ihm schnell ins Gespräch zu kommen. Denn das Telefon ist ein persönliches Kommunikationsinstrument. Also sollten Sie auch den Kunden zu Wort kommen lassen.
„Und was habe ich davon?“
Im Gespräch sollten Sie zudem zwei, drei persönliche beziehungsweise firmenbezogene Nutzenargumente parat haben. Warum dies wichtig ist, sei am Beispiel eines niedergelassenen Arztes illustriert. Er macht sich seit Jahren einen Spaß daraus, Pharmareferenten zur Verzweiflung zu bringen. Ruft ihn ein Pharmareferent an, um einen Besuchstermin zu vereinbaren, fragt er stets zurück: „Und was habe ich davon?“ Die Pharmavertreter antworten dann oft: „Ich stelle Ihnen unser neues Medikament vor, das …“ Die Rückfrage des Arztes: „Und was habe ich davon?“ Hierauf erwidern die meisten Referenten sinngemäß: „Damit können Sie Ihre Patienten besser therapieren.“ Woraufhin der Arzt erneut fragt: „Und was habe ich davon?“
Das Fazit des Arztes: „Fast nie nennen mir Pharmareferenten ein Argument, warum ich als Unternehmer mir Zeit für deren Besuch nehmen sollte – zum Beispiel, dass ich dann mehr Geld verdiene, weil das Medikament besser wirkt und die Patienten schneller gesund werden. Oder dass ich dann mehr Zeit für meine Familie habe. Warum sollte ich mich also mit ihnen treffen?“
Ähnlich agieren viele Telefonverkäufer. Sie reden viel (und schnell), kommunizieren jedoch wenig mit ihren Kunden. Und schon gar nicht können sie den (Noch-nicht-)Kunden darlegen, was sie – persönlich – davon haben, wenn sie auf ihr Angebot eingehen. Solche kundenspezifischen Argumente zu entwickeln erfordert Zeit. Doch wer ist der bessere „Telefonverkäufer“: derjenige, der bei 20 Telefonaten einen Abschluss erzielt, oder derjenige, der zwar nur 10 Telefonate führt, jedoch drei Abschlüsse erzielt – zum Beispiel, weil er sich auf die Telefonate professionell vorbereitet? Auf die Klasse, nicht Masse der Gespräche kommt es an.
Über die Autorin:
Johanna Schott ist geschäftsführende Gesellschafterin des Trainings- und Beratungsunternehmens study & train, Stuttgart, das unter anderem die Mitarbeiter von Unternehmen darin schult, professionell zu telefonieren und zu kommunizieren.
Sehr interessanter Beitrag !!