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Digitalisierung ist in den deutschen Hochschulen angekommen. Technisch sind diese zwar gut ausgestattet. Didaktische Potentiale aber bleiben trotz guter Infrastruktur oft ungenutzt.

Die meisten Hochschulen in Deutschland sind technisch gut gerüstet. 80 Prozent der Lehrenden sind zufrieden mit der entsprechenden Ausstattung und der WLAN-Qualität an ihrer Hochschule. Von den Studierenden erhält die IT-Ausstattung sogar noch bessere Noten. Die mit digitalen Medien angereicherte Lehrveranstaltung ist zum Normalfall geworden: 90 Prozent der Veranstaltungen werden heute durch digitale Elemente ergänzt. Didaktische Potentiale aber bleiben trotz guter Infrastruktur oft ungenutzt. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung, für die Studierende, Professoren und Mitarbeiter der Hochschulverwaltung befragt wurden.

92 Prozent der Lehrenden nutzen Präsentationstools wie etwa Power Point. Jeder zweite Dozent stellt Materialien in elektronischer Form über Lernmanagementsysteme zur Verfügung. Diese Technologien haben sich seit 20 Jahren etabliert und ergänzen die herkömmliche Vorlesung. Dabei benutzen Studierende gerne neuere digitale Lernmittel. Gerade beim selbstorganisierten Lernen setzen viele auf Social Media: 42 Prozent nutzen Chat-Dienste, 41 Prozent Foren und Blogs und 29 Prozent Soziale Netzwerke um zu lernen.

Lehramtsstudierende am wenigsten aufgeschlossen

Dennoch sind Studierende keine digitalen Enthusiasten. Zwar wünscht sich eine deutliche Mehrheit der Studierenden (über 80 Prozent) digitale Medien und Videoangebote rund um die Lehrveranstaltung – nicht zuletzt deswegen, weil sie dadurch selbstständiger unter verschiedenen Lernangeboten wählen können. Rund 20 Prozent der Studierenden sind der Meinung, dass Lehrveranstaltungen ausschließlich mit digitalen Medien durchgeführt werden sollten. Die höchsten Zustimmungswerte unter den Lern- und Unterrichtsmitteln erhält die „gute alte Tafel“. Studierende halten vor allem die fachliche Eignung des Lehrpersonals für entscheidend; ausschlaggebend sind also nicht die Medien selbst, sondern deren didaktisch sinnvoller Einsatz. „Studierende nutzen überwiegend die Medien, die von der Hochschule angeboten werden. Sie essen also, was auf den Tisch kommt“, sagt Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung und Geschäftsführer des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE).

Von allen Fachgruppen am wenigsten aufgeschlossen gegenüber digitalen Medien sind die Lehramtsstudierenden: „Lehramtsstudierende sollten Digitalisierung in die Schulen tragen. Allerdings nutzen gerade Lehramtsstudierende weniger digitale Medien zum Lernen als andere. Wenn sie es tun, motiviert sie das auch noch weniger als ihre Mitstudierenden aus anderen Fachbereichen“, so Dräger.

Spaltung in digitale Verfechter und analoge Skeptiker

Dozenten halten sich nicht nur bei der Anwendung innovativer Lernformate zurück. Sie hegen große Skepsis gegenüber Wissensvermittlung durch Videos (86 Prozent), sehen ungelöste rechtliche Probleme (62 Prozent) und beklagen den hohen Aufwand in der Vorbereitung (60 Prozent). Außerdem fühlen sich 60 Prozent der Dozenten durch Tablets oder Laptops gestört, wenn die Studierenden sie während ihrer Lehrveranstaltung nutzen.

Ansätze, die individuelle Förderung ermöglichen würden, wie digitale Planspiele und Simulationen sowie elektronische Übungen und Tests, baut nur jeder vierte Dozent in seine Lehrveranstaltungen ein. Eine gesamte Vorlesungsreihe als abrufbares Video produzieren gerade einmal zwei Prozent der Professoren. Diese so genannten MOOCs – Massive Open Online Courses – spielen demnach in der akademischen Lehre an deutschen Hochschulen so gut wie keine Rolle. Allerdings: in der akademischen Weiterbildung werden sie gerne genutzt; etwa 10 Prozent der Hochschulen setzen auf vollständig digitalisierte Weiterbildungsangebote.

Unter Hochschulleitungen und Verwaltungsmitarbeitern bilden sich zwei gleichgroße Lager konsequent digitaler Verfechter und konsequent analoger Skeptiker. Letztere messen dem Thema einen geringen strategischen Stellenwert zu, sodass dort auch zukünftig nicht mit einem hochschulweit systematischen Einsatz digitaler Lernmedien zu rechnen ist. Es fehlt insgesamt an konkreten Strategien, um mit digitalen Medien die Lehre zu verbessern. Mehr als die Hälfte der Hochschulmanager fühlt sich zwar für die Infrastruktur verantwortlich, setzt bei deren Anwendung aber auf Professoren, Dozenten und Studierende. Von ihnen erwarten Hochschulleitung und -verwaltung stärkere Impulse zur Nutzung digitaler Medien als von sich selbst.

Dabei sehen viele Rektoren, Dezernenten und Verwaltungsmitarbeiter durchaus große Chancen in der Digitalisierung. Etwa 70 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass sich durch digitale Lösungen nicht nur die wachsende Anzahl von Studierenden bewältigen lässt, sondern auch ihre zunehmende Vielfalt. Einige Fragen gilt es jedoch noch zu klären. Ganz oben auf der Liste stehen rechtliche Aspekte wie die Anrechnung des Lehrdeputats. 70 Prozent geben dies als größte Herausforderung an, dicht gefolgt von den Kosten für die IT-Betreuung (60 Prozent).

Priorität haben jedoch selbst für Verfechter der Digitalisierung Themen wie steigende Studierendenzahlen, zunehmend heterogene Studierendenschaft, Internationalisierung, Wettbewerb und Exzellenz-Initiativen. All das ließe sich mit digitaler Unterstützung effektiver angehen. Jörg Dräger erläutert: „Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Sie muss sich mit Zielen, Zielgruppen und Profil der jeweiligen Hochschule verbinden. Digitalisierung ist kein weiteres Problem, sondern Teil der Lösung für bessere Lehre.“

Zusatzinformationen

Mit dem „Monitor Digitale Bildung“ schafft die Bertelsmann Stiftung eine umfassende und repräsentative empirische Datenbasis zur Digitalisierung der verschiedenen Bildungssektoren in Deutschland. Im Mittelpunkt dieses Berichts stehen die Hochschulen. Für die Hochschul-Ausgabe hat das „mmb Institut – Gesellschaft für Medien- und Kompetenzforschung mbH“ (Essen) rund 2750 Studierende, 650 Professoren und Dozenten sowie 85 Präsidenten, Rektoren und Mitarbeiter der Hochschulverwaltung befragt. Ergänzt wurde die Erhebung durch Interviews mit 10 überregionalen Entscheidern aus Politik und Ministerien.

Quelle: Bertelsmann Stiftung

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