– BIP birgt Steigerungspotenzial von 422 Milliarden Euro bei
gleichberechtigter Berufstätigkeit von Frauen und Männern
– Initiative Chefsache fordert flexiblere Rahmenbedingungen für
Arbeit in Führungspositionen
– Präsenzkultur in deutschen Büros hindert Frauen an
Karriereplanung
Frauen tragen in Deutschland weiterhin nur 38% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Das BIP könnte bis 2025 um 422 Milliarden Euro (+12%) gegenüber den Basisprognosen steigen, wenn Frauen gleichberechtigt am Erwerbsleben teilnähmen. Wie sehr es sich für die deutsche Wirtschaft lohnt, hier aufzuholen, hat eine aktuelle Studie der Initiative „Chefsache“ – einem Zusammenschluss von 21 Organisationen aus Wirtschaft, öffentlichem Sektor, Wissenschaft und Medien – ergeben. Dafür müsste unter anderem die weibliche Erwerbsquote von 54,7% auf 59,3% steigen. Gleichzeitig müsste sich die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von Frauen um zwei Stunden auf 32,5 Stunden erhöhen und weibliche Arbeitnehmer müssten häufiger in besonders produktiven Sektoren wie dem verarbeitenden Gewerbe oder der Finanzbranche arbeiten. Besonders groß ist der Nachholbedarf in Führungspositionen: Während die weibliche Erwerbsquote insgesamt steigt, hat dieser Trend die Chefetagen statistisch noch nicht erreicht (sog. „Leadership Gap“). Das belegen die „Chefsache“-Analysen.
Laut dem Report „Flexibles Arbeiten in Führungspositionen – Ein Handlungsleitfaden für Chefetagen“ können flexible Arbeitsmodelle insbesondere Frauen erleichtern, anspruchsvolle Führungsaufgaben mit dem Familienleben besser zu vereinbaren. Denn Frauen leisten das 2,4-fache an unbezahlter familiärer Fürsorgearbeit und das 1,6-fache an unbezahlter Hausarbeit im Vergleich zu Männern. „Präsenzkultur und Vollzeiteinsatz sind in deutschen Führungsetagen noch immer gang und gäbe, auch wenn sie heute nicht mehr der heutigen Lebensrealität vor allem weiblicher Führungskräfte entsprechen. Ein überkommenes Führungsverständnis und überkommene Vorstellungen von Karriere stellen eine wesentliche Hürde dar“, so Bernhard Beck, Personalvorstand des Energieversorgers EnBW. Flexible Arbeitsmodelle scheitern oft daran, dass solche Modelle zwar in vielen Unternehmen angeboten, aber vor allem in Führungspositionen nur selten in Anspruch genommen werden.
Langfristiger Wandel
Nur 12% der Führungspositionen in Deutschland werden von Frauen besetzt. Innerhalb der Mitgliedsorganisationen der Initiative Chefsache beträgt der durchschnittliche Frauenanteil in Führungspositionen 17%, dazu zählen der Vorstand und die drei Ebenen darunter. Im Vorstand selbst liegt der Frauenanteil der Initiative durchschnittlich bei 10%, in den Aufsichtsräten bei 25%. Durch die ungleiche Ausgangslage der Mitgliedsunternehmen ist eine weite Spanne der Geschlechteranteile zu beobachten. So liegt der Frauenanteil im Vorstand im besten Quartil (oberes Viertel) der Chefsache-Mitglieder bei 25%, im Aufsichtsrat bei 35%. Janina Kugel, Personalvorstand der Siemens AG: „Kennzahlen von Frauen in Führungspositionen jedes Jahr transparent zu kommunizieren haben wir uns als Ziel genommen, denn ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis ist im Management noch lange nicht erreicht. Dies erfordert kontinuierliches und nachhaltiges Engagement, dem sich unsere Initiative für die folgenden Jahre verschrieben hat.“ Um den Status quo von Frauen in Führungspositionen nachzuhalten, haben sich alle 21 Chefsache-Mitglieder dazu verpflichtet, von nun an jährlich vergleichbare Kennzahlen ihrer Organisationen zu veröffentlichen.
Mehr als klassische Teilzeit
In ihrem aktuellen Report legt die Initiative einen Baukasten mit 21 praxisnahen Instrumenten vor, die dabei helfen, in Deutschland einen Kulturwandel hin zu flexiblen Arbeitsformen zu erreichen. Der Fokus liegt dabei auf den Modellen „reduzierte Vollzeit“, „mobiles Arbeiten“ und „Jobsharing“. Cornelius Baur, Deutschlandchef der Unternehmensberatung McKinsey: „Flexibles Arbeiten und Führungspositionen schließen sich nicht aus. Organisationen müssen erkennen, dass flexible Arbeitsmodelle wirtschaftlich sinnvoll und gesellschaftlich notwendig sind.“. „Flexibles Arbeiten ist mehr als klassische Teilzeit. Es werden Arbeitsmodelle benötigt, die es Frauen und Männer ganz individuell ermöglichen, berufliche und private Interessen vereinbaren können, um im angemessenen Umfang am Erwerbsleben teilzuhaben“, ergänzt Bernhard Beck von der EnBW.
Hin zur Ergebniskultur
Die Initiative schlägt unter anderem vor, neue Konzepte wie aktivitätsbezogenes Arbeiten (Activity-based Working) einzuführen. Dabei wird der feste Schreibtischplatz durch ein Portfolio an möglichen Arbeitsstätten ersetzt – vom Home Office bis hin zu Fokusräumen. Die Mitarbeiter können daraus je nach Bedarf wählen. Noch wichtiger ist die Entwicklung weg von einer Präsenzkultur hin zu einer Ergebniskultur innerhalb der Organisation. Bei einer Ergebniskultur wird von den Mitarbeitern weder explizit noch implizit erwartet, während einer Kernarbeitszeit anwesend zu sein – bewertet wird lediglich das Geleistete. Dies gelingt beispielsweise durch klare Zielvereinbarungen über messbare Endprodukte.
Die Ergebnisse des Reports basieren auf einer volkswirtschaftlichen Analyse in Kooperation mit dem McKinsey Global Institute, 20 strukturierten Interviews in acht Mitgliedsorganisationen der Initiative „Chefsache“ sowie einer Literaturstudie zum Thema „flexibles Arbeiten in Führung“, die in Zusammenarbeit mit dem Center for Responsible Research and Innovation am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) durchgeführt wurde.
Hintergrund zur Initiative Chefsache
„Chefsache. Wandel gestalten – für Frauen und Männer“ ist ein Netzwerk zur Förderung eines ausgewogenen Verhältnisses von Frauen und Männern in Führungspositionen. Treibende Kräfte der Initiative sind Geschäftsführungsmitglieder und Vorstände von Unternehmen sowie Leiterinnen und Leiter wissenschaftlicher, sozialwirtschaftlicher und öffentlicher Einrichtungen. Mit neuen Ideen und Konzepten will die 2015 gegründete Initiative ein Umdenken in der Arbeitswelt herbeiführen. In Deutschland gibt es immer noch zu wenige Frauen in den Chefetagen. Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis und zeitgemäße Rollenbilder nützen jedoch allen gleichermaßen – Frauen, Männern und der Gesellschaft insgesamt.
Quelle: Presseportal.de