Immer wieder müssen Unternehmen Mitarbeiter entlassen. Dann engagieren sie zuweilen Personalberater, die den gekündigten Mitarbeitern helfen, neue Arbeitsplätze zu finden. Das tun sie aus Eigennutz – zum Beispiel, um den Betriebsfrieden zu wahren und juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden. Doch auch die Gekündigten profitieren hiervon, wie folgendes Praxisbeispiel zeigt.
Viele Start-ups gleichen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen. Mit fremdem Kapital versuchen sie, neue Produkte zu entwickeln. Und ist das Geld aufgebraucht und wurden keine marktfähigen Produkte entwickelt? Dann stehen sie vor dem Aus.
Diese Gefahr drohte Anfang 2017 auch einem Start-up-Unternehmen nahe Stuttgart*. Deshalb stellte dessen Vorstand alle Sachausgaben auf den Prüfstand. Was entbehrlich war, wurde gestrichen. Doch dies allein genügte nicht. Daher entschied der Vorstand: Wir müssen circa 15 Prozent unserer 140 Mitarbeiter entlassen.
Leicht fiel den AG-Vorständen diese Entscheidung nicht – auch weil die junge Führungsriege noch keine Erfahrung mit dem Kündigen von Mitarbeitern hatte. Außerdem befürchteten die Vorstände: Wenn wir erstmals Mitarbeiter auf die Straße setzen, zerstört dies unsere von einem starken Wir-Gefühl geprägte Unternehmenskultur. Deshalb beschlossen sie: Wir suchen einen externen Partner, der uns hilft, den Trennungsprozess fair zu gestalten, und die entlassenen Mitarbeiter dabei unterstützt, eine neue berufliche Perspektive zu finden.
Führungskräfte auf die heikle Aufgabe vorbereitet
Über Empfehlungen stieß der Vorstand auf eine Personalberatung, die nachweislich außer einer Expertise im Bereich Out-Placement auch im Bereich New-Placement hatte. Zwei Kennenlern-Termine folgten. Dann entschied der Vorstand: Wir arbeiten mit der Personalberatung zusammen. Daraufhin entwarf deren Inhaber, nennen wir ihn Kai Küstner, ein Konzept, wie sich der Trennungsprozess gestalten könnte. Den Auftakt bildete ein halbtägiger Workshop mit den Führungskräften des Unternehmens. Dort informierte der Vorstand die Führungskräfte über den geplanten Personalabbau. Danach erläuterte Küstner ihnen, wie der Trennungsprozess verlaufen solle. Außerdem klärte er mit ihnen nochmals ihre Funktion im Unternehmen. Dies war nötig, weil viele Führungskräfte auch private Kontakte zu ihren meist gleichaltrigen Mitarbeitern hatten. Deshalb waren Rollenkonflikte vorprogrammiert.
Danach erarbeitete Küstner mit den Führungskräften ein Drehbuch und eine „To-do-Liste“. Sie enthielt auch detaillierte Absprachen darüber, wie die Kündigungsgespräche zu führen seien. Wer führt die Gespräche? Wann, wo und wie werden sie geführt? Hierdurch sollte auch sichergestellt werden, dass alle Führungskräfte weitgehend dieselben Argumente und Sprachregelungen gebrauchen und keine Widersprüche zwischen ihren Aussagen auftauchen.
Angebot: Gekündigte erhalten Unterstützung
Drei Tage nach dem Workshop fand eine Betriebsversammlung statt. Dort informierte der Vorstandsvorsitzende die Mitarbeiter über die geplanten Entlassungen. Außerdem teilte er ihnen mit, dass die Betroffenen nach der Betriebsversammlung auf ihrem Schreibtisch ein Schreiben fänden. Dieses enthalte jedoch nur eine Ankündigung der Kündigung. Die eigentliche Kündigung werde den Betroffenen in den nächsten Tagen von ihren Führungskräften überreicht. Dann teilte der Vorstandsvorsitzende den Mitarbeitern mit, dass am Nachmittag für alle Betroffenen eine Informationsveranstaltung mit Beratern der Personalberatung Küstner in einem Hotel stattfände.
Dort erläuterte Kai Küstner den betroffenen Mitarbeitern, welche Unterstützung das Unternehmen ihnen in den kommenden Monaten gerne bieten würde, um ihnen die berufliche Neuorientierung zu erleichtern. Dann bat er sie, sich binnen einer Woche zu entscheiden, ob sie von dem Angebot Gebrauch machen wollen. Von den Mitarbeitern eine sofortige Entscheidung zu fordern, hätte sie überfordert: Sie mussten die Kündigungsbotschaft erst verdauen.
In den kommenden Tagen führten die Führungskräfte mit den betroffenen Mitarbeitern die offiziellen Kündigungsgespräche und erläuterten ihnen nochmals die Entscheidung. Danach fand ein zweiter Workshop mit den Führungskräften statt. Er sollte ihnen helfen, das Erlebte aufzuarbeiten. Dies war nötig, weil es den meisten Führungskräften schlaflose Nächte bereitete, erstmals Kündigungen auszusprechen.
Hinzu kam: In den Gesprächen erfuhren sie zuweilen Details über das Privatleben ihrer Mitarbeiter, die sie an der Richtigkeit der Auswahl zweifeln ließen. So war zum Beispiel eine Führungskraft überzeugt, dass ein Mitarbeiter alleinstehend sei. Im Kündigungsgespräch erfuhr sie jedoch: Es gibt ein unterhaltsberechtigtes Kind aus einer früheren Beziehung. In solchen Gesprächssituationen hart, genauer gesagt, konsequent zu bleiben, fiel allen Führungskräften schwer.
Bewerbungsstrategien und Bewerberprofile erstellt
Eine Woche nach der Betriebsversammlung trafen sich Küstner-Berater erneut mit den gekündigten Mitarbeitern. Alle Mitarbeiter wollten an dem Newplacement-Prozess teilnehmen. Also begannen die Berater, mit ihnen Strategien zu entwerfen, um möglichst schnell neue Jobs zu finden. Dabei war es ihnen wichtig, den Teilnehmern zu vermitteln: „Ihr seid alle keine Berufseinsteiger, ihr habt Berufserfahrung. Deshalb könnt ihr in Unternehmen wichtiges Know-how einbringen.“
In der folgenden Woche fanden zwei dreitägige Bewerbertrainings statt – eins für die technischen Assistenten und eins für die hoch qualifizierten Spezialisten. Dort entwickelten die Teilnehmer für sich eine berufliche Perspektive: Suche ich mir eine neue Stelle oder mache ich mich selbstständig? Steige ich beruflich gleich wieder voll ein oder nutze ich den „Break“, um mich weiterzubilden oder für eine Erziehungspause?
Die Teilnehmer ermittelten auch, welche „Pfunde“ sie als Bewerber in die Waagschale werfen können. Außerdem analysierten sie, bei welchen Unternehmen Bewerbungen besonders Erfolg versprechend wären – sei’s wegen vorhandener Kontakte oder spezieller Kenntnisse. Dann begannen sie, ihre Bewerberprofile zu entwerfen und ihre Bewerbungsunterlagen zu gestalten.
Nach den Bewerbungstrainings trafen sich die Küstner-Berater mit jedem Stellensucher zu einem Vier-Augen-Gespräch, um deren Bewerbungsunterlagen zu optimieren; außerdem, um mit ihnen individuelle Bewerbungsstrategien zu entwerfen. Diese persönliche Beratung war unter anderem nötig, weil manche Teilnehmer sich seit Jahren nicht mehr beworben hatten. Entsprechend unsicher waren sie, wie sie vorgehen sollten.
Viele Teilnehmer waren sich auch nicht der Fähigkeiten bewusst, die ihnen, sofern sie sich beim richtigen Unternehmen bewerben, Pluspunkte bringen können. Hierfür ein Beispiel: Ein Start-up-Unternehmen, das erst wenige Jahre existiert, hat eine andere Arbeitsstruktur und -kultur als ein Konzern. In ihm müssen die Mitarbeiter mehr improvisieren. Sie haben zudem ein breiteres Aufgabenfeld als die Mitarbeiter von Großunternehmen, in denen viele Aufgaben an Spezialisten delegiert werden können. In einem solchen Umfeld erfolgreich gearbeitet zu haben, kann beim Bewerben ein Plus sein – auch bei Konzernen, die möchten, dass ihre Mitarbeiter mehr Eigeninitiative und -verantwortung zeigen.
Personalberater kontaktiert neue Arbeitgeber
So vorbereitet begannen die gekündigten Mitarbeiter, sich aktiv zu bewerben. Die Personalberatung Küstner unterstützte sie dabei. Unter anderem, indem sie die Profile der Stellensucher anonymisiert an Unternehmen sandte, bei denen die Vermutung bestand: Dieses Unternehmen könnte einen Mitarbeiter mit genau diesem Profil brauchen. Von Vorteil waren hierbei die gewachsenen Industriekontakte der Personalberatung, denn es bedarf meist einer intimen Kenntnis der Arbeitsinhalte und -strukturen eines Unternehmens, um einen Bewerber dort erfolgreich zu platzieren.
Durch dieses gezielte Vorgehen hatten am 30. Juni 2017, dem offiziellen Kündigungsdatum, zwölf der 21 entlassenen Mitarbeiter eine neue Stelle. Drei weitere hatten entschieden, sich selbstständig zu machen. Und bei einer Software-Entwicklerin war der Entschluss gereift, zwei Jahre zu Hause bei ihren Kindern zu bleiben. Folglich fehlte zum offiziellen Kündigungstermin nur noch fünf der 21 entlassenen Mitarbeiter eine neue berufliche Perspektive. Diese Mitarbeiter unterstützte die Personalberatung Küstner weiterhin bei der Stellensuche. Dies führte dazu, dass Ende September – also drei Monate nach dem offiziellen Ausscheiden aus dem Unternehmen – nur ein ehemaliger Mitarbeiter noch ohne Job war.
Über diese positive Entwicklung informierte der Vorstand des Start-ups Anfang Juli, nach dem Ausscheiden ihrer Kollegen, die verbliebenen Mitarbeiter in einer Kick-Off-Veranstaltung, die sozusagen den Neustart des gesundgeschrumpften Unternehmens einläutete. Dies stärkte die Identifikation der verbliebenen Mitarbeiter mit dem Unternehmen, weil sie spürten: Das Schicksal unserer Ex-Kollegen – und damit vermutlich auch unseres – ist unseren Chefs nicht egal.
Über den Autor:
Alexander Walz ist Geschäftsführer der Personal- und Managementberatung Conciliat GmbH, Stuttgart, die Unternehmen auch im Out- und Newplacement-Bereich unterstützt.
* Das Praxisbeispiel wurde anonymisiert, denn das Start-up-Unternehmen möchte, nachdem dieser „schmerzhafte“ Prozess vorüber ist, nicht mehr in Zusammenhang mit dem Thema „Personalabbau“ in den Medien stehen.