Verkauf hat mit Menschen zu tun. So unterschiedlich diese Menschen sind, so unterschiedlich sind ihre Vorgehensweisen. Weil Kunden ihre Wünsche und Ziele schließlich auch sehr unterschiedlich kommunizieren, ist ein Verkaufsalltag ohne unvorhergesehene Momente so gut wie unmöglich. Ein Mangel an Zeit und damit eine ungenügende Vorbereitung sowie Reflexion tut ein Übriges dazu, dass Verkäufer immer öfter und schneller in Stress geraten.
Entscheidend ist, wie Verkäufer auf diesen Stress reagieren – oder besser noch agieren. Häufig sind gewisse Situationen absehbar, sodass sich Verkäufer tatsächlich darauf vorbereiten können. Umso mehr sie an sich selbst glauben bzw. die Überzeugung in sich tragen, Situationen – wie andersartig, stressig oder neu diese auch sein mögen – bewältigen zu können, desto sicherer und souveräner werden sie. Entscheidende Faktoren zur Stressreduzierung sind Reflexion und Vorbereitung: Was lerne ich daraus? Wie gehe ich zukünftig anders vor? Was mache ich jetzt konkret?
Warum Druck nicht unweigerlich zu Stress führt
Nie mehr Stress im Verkauf? Geht das überhaupt? Nein. Gerade von Verkäufern wird enorm viel verlangt. Schließlich bestimmen sie mit ihrem Erfolg entscheidend die Zukunft der gesamten Unternehmung. Druck gehört für die Mehrheit der Verkäufer zur Normalität. Ziele werden vorgegeben, Ergebnisse gemessen und Sanktionen in Form von Tadel und/oder Gehaltseinbußen drohen, wenn die Vorgaben nicht erreicht werden. Im Verkauf ist schnell klar, wer zu den Leistungsträgern gehört – und wer hinterherhinkt. Dabei lässt sich nicht pauschal sagen, dass „schwache“ Verkäufer mehr Stress haben als Top-Verkäufer. Aber beide leiden darunter, wenn der Druck in Stress umschlägt, weil entsprechende Emotionen vorherrschen. Jeder Verkäufer macht sich andere Gedanken und schlägt unterschiedliche Wege ein, um eine optimale Balance zwischen den zahlreichen eigenen und fremden Vorgaben, Erwartungen und Wünschen zu finden. Dabei sind die Einflussgrößen/Stressoren im Verkauf vielfältig: Der Arbeitgeber, das Leistungsangebot, die Führungskraft, die Kollegen, die Kunden, die Mitbewerber, der Verkäufer selbst bis hin zum privaten Umfeld. Auch wenn eine permanente harmonische Balance zwischen allen Punkten wohl unmöglich ist, könnten Verkäufer mit typischen Stress-Fallen im Verkauf bewusst anders umgehen – vorausgesetzt, sie kennen diese. Drei dieser Fallen werden hier stellvertretend beleuchtet:
1. Die Ich-hab-so-viel-zu-tun-Falle
„Manchmal weiß ich gar nicht, wo mir vor lauter Arbeit der Kopf steht!“ Wer kennt das nicht? Die Reaktion auf eine permanent hohe Arbeitsbelastung fällt jedoch bei jedem unterschiedlich aus. Manche Verkäufer fühlen sich von Anfang an überfordert und verlieren die Lust daran, überhaupt anzufangen. Andere Verkäufer hingegen kommen bei Druck erst so richtig in Fahrt – im positiven Sinne: Sie schaffen plötzlich so viel, wie sonst nur selten. Für das eigene Wohlbefinden ist es entscheidend, wie mit dem Arbeitsaufkommen umgegangen wird. Wirkt dieses lähmend und belastend, ist es wichtig, das Heft des Handelns endlich wieder selbst in die Hand zu nehmen. Denn es ist unwahrscheinlich, dass ein Kunde, Kollege oder Vorgesetzter auf den Verkäufer zukommt, mit den Worten „Oh, Sie haben ja so viel zu tun. Lassen Sie sich bitte Zeit. Wir alle warten gerne auf Sie.“ Drei Strategien helfen hier:
Prioritäten setzen
Was ist wirklich wichtig? Was bringt einen entscheidend voran? Wovon ist vieles abhängig? Gut ist, zuerst „dicke Bretter“ zu bohren. Denn wenn „schwierigere“ Aufgaben weniger werden, beflügelt dies. Um sich der Aufgabenmenge und Relevanz besser bewusst zu werden, ist schriftliches – wenn auch nur stichwortmäßiges – Planen nützlich.
Reflektieren
Vor lauter Arbeit kommen Viele oft gar nicht mehr zum Denken. Dabei wäre genau dann Reflektieren extrem wichtig. Darum öfter einmal überlegen, ob man die Arbeit, die man erledigt, auch anders, sprich effektiver und effizienter, erledigen könnte oder vielleicht sogar delegieren kann.
Mit Checklisten arbeiten
Wenn wir viel zu tun haben, gehen im Stress leicht gewisse Dinge unter. Checklisten helfen, nichts Wesentliches zu vergessen und strukturierter zu arbeiten. Sie sind auch ein Ruhepol, wenn man gehetzt ist, weil man weiß, wenn man diese Liste Schritt für Schritt abarbeitet, sicher alles richtig zu machen.
2. Die Das-nehme-ich-jetzt-persönlich-Falle
Manche Kunden sind irgendwann auch Freunde. Doch Geschäft ist Geschäft! Verkäufer oder generell Menschen mit Kundenkontakt sind häufig dem psychologischen Phänomen der „verlagerten Aggression“ ausgesetzt. Jeder Mensch hat manchmal schlechte Momente. Wir sind unzufrieden mit unserem Job, unserem Arbeitgeber, unserer Familie oder uns selbst. Hin und wieder kommt auch alles zusammen. In so einem Fall ist es für Viele leichter, statt in einen möglichen Konflikt mit denen zu gehen, die es betrifft, auszulassen, beispielsweise einer außenstehenden Person – und wer bietet sich hier besser an als ein Verkäufer. So kann es schnell einmal passieren, dass ein Kunde oder Gast „explodiert“, und der Anbieter gar nicht weiß, wie ihm geschieht, weil er nicht nachvollziehen kann, warum sich dieser plötzlich so aufregt. Anstatt einen solchen verbalen Angriff persönlich zu nehmen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:
Manchmal ist Kritik egal, manchmal nicht
Wie auf Kritik reagiert wird, hängt maßgeblich vom eigenen Selbstwertgefühl ab, den aktuellen Emotionen und dem Sachverhalt, ob man sich ertappt fühlt oder nicht. Manchmal ist es hilfreich, nicht immer sofort zu reagieren, sondern erst einmal eine Denkpause zu machen, um sich dann bewusster zu den Vorwürfen äußern zu können.
Schwamm drüber
Wer sich persönlich beleidigt fühlt, sollte dies thematisieren. Manchmal werden Dinge schnell gesagt, die Andere nicht so meinen. Oft bekommt man etwas in den „falschen Hals“. Es muss allerdings auch mal wieder gut sein, wenn man sich ausgesprochen hat. Schließlich will man noch weiter mit seinen Kunden/Kollegen arbeiten.
Falschen Stolz ablegen
Auch wenn man sich für den Bruch einer Beziehung nicht verantwortlich fühlt, kann es trotzdem gut sein, dem Anderen die Hand zu reichen. Häufig bedauern ja beide Seiten die negative Entwicklung. Wer hier nach einer gewissen zeitlichen Distanz, wenn sich die Wogen wieder geglättet haben, den Kontakt sucht, zeigt wahre Größe.
3. Die Keine-Ausdauer-Falle
Die Gewinnung neuer Kunden ist nicht leicht. Meist ist es so, dass Verkäufer viel zu schnell aufgeben, oft schon nach dem ersten Kontakt bzw. dem ersten Nein. Verkäufer dürfen sich nicht als Opfer sehen oder erwarten, dass alles von heute auf morgen klappt. Sie brauchen Ausdauer und müssen den Faktor Zeit unbedingt mit einplanen. Stress entsteht häufig, weil zu viel in zu kurzer Zeit erreicht werden soll – und zu spät mit der Umsetzung angefangen wird. Verkäufer müssen Langstreckenläufer sein. Und wie ein Profisportler regelmäßig trainiert, so sollten auch Verkäufer regelmäßig an ihren Aufgaben und ihrer Performance arbeiten. Folgende drei Tipps helfen dabei:
Ziele sollen fordern, aber nicht überfordern
Menschen überschätzen in der Regel, was sie kurzfristig leisten können, und unterschätzen das, was sie langfristig schaffen könnten. Darum ist es wichtig, sich durchaus persönlich anspruchsvolle Ziele zu setzen, die fordern, aber nicht überfordern.
Jeden Tag ein bisschen
„Man kann auch einen Elefanten essen, wenn man die Stücke nur klein genug schneidet.“ Getreu diesem Spruch ist es hilfreich, regelmäßig, am besten sogar täglich, etwas zu tun, was uns den eigenen Zielen näher bringt.
Gute Vorbereitung schafft schnellere Erfolge
Wer neue Kunden gewinnen oder neue Produkte im Markt platzieren will, tut sich und seinen Kunden einen großen Gefallen, wenn er sich gut vorbereitet: Was hat der Kunde von dem Angebot? Welche Einwände könnten kommen? Wie können diese entkräftet werden? Wie kann der Preis zu einem Kaufgrund, statt zu einem Kaufhindernis werden?
Ein Leben jenseits der Fallen
Es ist normal, dass Verkäufer einem gewissen Leistungsdruck unterliegen. Entscheidend ist, wie jeder Betroffene damit umgeht. Hin und wieder ein wenig Druck und Stress sind normal – und gehören zum Leben dazu. Permanenter Stress hingegen ist schädlich. Darum ist es wichtig zu prüfen, an welchen Stellschrauben wir drehen können, um eine gute Balance für uns selbst zu finden. Vergessen wir darüber hinaus auch nicht, dass Verkaufen die Chance auf Persönlichkeitsentwicklung pur ist. In kaum einem anderen Beruf hat man es mit so vielen unterschiedlichen Menschen und Situationen zu tun. Somit bietet der Beruf des Verkäufers viele Gelegenheiten, um Neues auszuprobieren, sich und Andere besser kennenzulernen – und damit als Persönlichkeit zu wachsen. Wer es also schafft, den Beruf des Verkäufers als Chance, statt als Belastung zu verstehen, wird den Verkaufsalltag leichter und besser bewältigen – mit weniger Stress. Und kommt dann doch mal (wieder) eine ungeplante Situation, dann freuen wir uns, dass wir die Gelegenheit haben, Dinge beim Schopf zu packen – und daran zu wachsen. Wir haben doch schon so Vieles gemeistert, warum also nicht auch die neue – vielleicht kurzfristig stressige – Situation?
Über den Autor:
* Ehrlichkeit verkauft. Das ist das Credo des vielfachen Autors, Verkaufstrainers und Redners Oliver Schumacher. Seine Mission ist nicht nur, dass Unternehmen ihre vertrieblichen Ziele dauerhaft erreichen, sondern auch dass Verkäufer in Zukunft einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert genießen. Der Mittvierziger arbeitete selbst über 10 Jahre überdurchschnittlich erfolgreich im Verkauf für einen Markenartikler. Er ist Sprechwissenschaftler (M.A.) und Diplom-Betriebswirt (FH).