Die modernen Kommunikationsmedien haben unser Kommunikationsverhalten verändert. Sie verleiten uns zudem dazu, mit anderen Menschen „en passant“, also beiläufig, zu kommunizieren. Dies kann dramatische Konsequenzen für die Qualität unserer Kontakte und Beziehungen haben – sofern wir nicht bewusst kommunizieren.
Unser Kommunikationsverhalten hat sich stark verändert. Früher wurden kurze Fragen an oder von Freunden und Kollegen, Kunden und Lieferanten meist mit einem Telefonat geklärt, heute geschieht das häufig per Facebook-Chat oder WhatsApp. Selbst die Tage der E-Mail sind vielleicht schon gezählt, weil Audio- und Videobotschaften Anlauf nehmen, sie zu verdrängen.
Qualität der Kontakte ändert sich
Doch eines blieb beim technischen Fortschritt der Kommunikation oft auf der Strecke: der Mensch mit seinen Wertvorstellungen und Bedürfnissen. Der Mensch möchte als Individuum wahr- und ernstgenommen werden. Als Kunde möchte er umworben werden, als Mitarbeiter wünscht er sich Wertschätzung und Anerkennung und als Geschäftspartner benötigt er den Augenkontakt, um Vertrauen aufzubauen.
Ein unreflektierter Umgang mit diesen Bedürfnissen und den modernen Kommunikationsmedien kann dramatische Auswirkungen auf die Qualität unserer Kontakte und Beziehungen haben. Deshalb hier einige Tipps, wie es Ihnen im digitalen Zeitalter gelingt, mit Menschen eine gewinnende, weil wertschätzende Kommunikation zu führen.
Tipp 1: Human Awareness (persönliche Zuwendung).
Der persönliche Kontakt zählt nach wie vor. Das wird bei der Vernetzung über die sozialen Medien gern vergessen. Eine hohe Zahl an digitalen Kontakten mag beeindruckend auf Außenstehende wirken, doch letztlich entscheidet die Qualität und nicht die Zahl der Kontakte über die Tragfähigkeit Ihres Netzwerks.
Die Qualität Ihrer Kontakte können Sie erheblich steigern, wenn Sie diese auch offline, also im wirklichen Leben pflegen. Vorausgesetzt, Sie beherrschen das moderne Kommunikations-Einmaleins für den direkten, persönlichen Kontakt, was zu Tipp zwei führt.
Tipp 2: Social Awareness (soziale Kompetenz).
Empathie wird von robusteren Zeitgenossen oft falsch verstanden. Überspitzt formuliert sind sie der Auffassung: Ich muss auch lachen, wenn dies mein Gegenüber tut. Und wenn er weint? Sollte ich das ebenfalls tun. Dies kann ein Ausdruck von Empathie sein, ist es aber nicht zwangsläufig.
Viel wichtiger ist es, dem Anderen zuzuhören und ihn als Mensch wahr- und anzunehmen. Aus der hieraus erwachsenden Verbindung und Vertrauensgrundlage entwickeln empathische Menschen dann Lösungen oder Ideen, die dem anderen im Idealfall helfen, beispielsweise sein Problem zu lösen.
Empathie ist wie die Frage, auf welchem Weg eine Person ein Ziel erreicht. Um jemandem die bestmögliche Wegbeschreibung zu geben, ist es wichtig zu wissen:
- Wohin will die Person?
- Wie will sie das Ziel erreichen (etwa auf dem schnellsten, kürzesten oder sichersten Weg)?
- Wie ist sie unterwegs (zum Beispiel per Fuß oder mit dem Auto)?
- Welche Hilfsmittel stehen ihr zur Verfügung (zum Beispiel ein Stadtplan oder ein Navi)? Und
- Was benötigt sie gegebenenfalls noch für das Zurücklegen des Wegs (beispielsweise eine Wegskizze, eine Fahrkarte oder Sprit)?
Dies zu erfragen und zunächst zuzuhören, statt (vorschnell) zu antworten, ist die einfachste Art, Menschen zu gewinnen und tragfähige Lösungen zu finden sowie Partnerschaften aufzubauen.
Tipp 3: Incident Awareness (Gespür für den Moment).
Die Wahl des Kommunikationsmediums beeinflusst den Verlauf und Ausgang einer Situation entscheidend – unabhängig davon, ob es um das Herbeiführen von Entscheidungen, das Motivieren von Mitarbeitern oder das Gewinnen von Kunden geht.
Erfolgreich sind hier vor allem diejenigen, die den Unterschied zwischen „dringend“ und „wichtig“ erkennen. In der irrigen Annahme, immer schnell reagieren zu müssen (= dringend), wird häufig das Potenzial missachtet, das aus der möglichen „Wichtigkeit“ resultiert.
Wer schnell reagiert, macht häufiger Fehler und vergisst oft entscheidende Details. Und vor allem bleiben bei der schnellen Kommunikation, so nebenbei, häufig die Wertschätzung und Anerkennung für den anderen auf der Strecke. Kommunikation reduziert sich auf Information.
Tipp 4: Digital Awareness (digitale Glaubwürdigkeit).
Halten Sie und Ihr Unternehmen im realen Leben, was Sie online versprechen? Wenn Sie beispielsweise mit dem Label „vertrauenswürdig“ werben, dann passen Telefonate auf offener Straße, in der Flughafenlobby und im Zug nicht zu diesem (Werbe-)Versprechen.
Bei der Digital Awareness geht es darum, die Botschaften, die Sie bei der digitalen Kommunikation aussenden, mit denen im persönlichen Kontakt zu synchronisieren, damit Sie (beziehungsweise Ihr Unternehmen) authentisch und somit glaubwürdig wirken. Insbesondere die Generation Y und noch stärker die nachrückende Generation Z misst der Authentizität eine sehr hohe Bedeutung bei. Für sie die Authentizität einer Person, Organisation oder Marke der entscheidende Faktor, ob sie ihr vertrauen. Dessen sollten sich gerade Führungskräfte, aber auch Verkäufer bewusst sein.
Tipp 5: Timeout-Awareness (Auszeiten nehmen).
Terminieren Sie feste Auszeiten, in denen Sie weder am PC sitzen, noch das Smartphone in Betrieb haben. Kümmern Sie sich in dieser Zeit vor allem um sich und die Menschen in Ihrem Umfeld. Und selbstverständlich ist es in Besprechungen auch ein Ausdruck der Bedeutung, die Sie den Menschen, mit denen Sie gerade reden, und dem Thema beimessen, wenn Sie auf Ihre digitale Erreichbarkeit verzichten. Denn nur dann können Sie sich ganz auf die Situation und Ihr Gegenüber konzentrieren. Das sollte – von begründeten Ausnahmen abgesehen – eigentlich selbstverständlich sein.
Über die Autorin:
Barbara Liebermeister leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt. Die Wirtschaftswissenschaftlerin arbeitet als Rednerin und Managementberaterin. Sie führt Coachings und Seminare zu den Themen Leadership, Kommunikation und Networking durch.