Erst die Beschäftigung mit der Frage nach einem sinnvollen Miteinander macht uns zu Menschen

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In unserer heutigen komplexen und manchmal so komplizierten Welt gibt es nichts Wichtigeres als die Frage nach dem Sinn unserer Existenz, nach dem Warum und Wohin unseres irdischen Lebens. Woher kommen wir? Wohin führt uns unser Weg? Was können wir tun, um ein sinnvolles und gelungenes Leben zu führen?

Die Frage nach dem Sinn immer wieder stellen

Die meisten Menschen setzen sich viel zu selten mit den wirklich bedeutenden Fragen des Lebens auseinander. „Es ist ein Zeichen unserer Zeit, dass wir uns mit dem Sinn des Lebens nicht mehr beschäftigen. Was aber noch viel schlimmer ist, ist die Tatsache, dass uns das scheinbar nichts ausmacht.“ Diese Aussage von Václav Havel sollte uns zu denken geben. Wir dürfen gegenüber der Sinnfrage nicht eine Haltung der Gleichgültigkeit aufbauen! Die Auseinandersetzung mit den ethischen und philosophischen Wurzeln des Mensch-Seins gehört zu dem Kitt, der eine Gesellschaft zusammenschweißt und zusammenhält. Um eine gegenwärtige Diskussion aufzugreifen: Es geht weniger um unsere Identität als Deutsche, sondern um unsere Identität als Menschen.

In der Schule des Lebens gibt es zum einen Stunden, Tage und Wochen, auch Jahre, in denen die Sinnfrage eine ganz besondere Bedeutung erhält. Zu anderen Lebenszeitpunkten tritt sie in den Hintergrund, weil die Bewältigung des täglichen und alltäglichen Lebens in den Mittelpunkt rückt. Immer aber scheint sie mit auf, und immer wieder gibt es neue Antworten. Normalerweise beantworten wir die Sinnfrage in jungen Jahren anders als im fortgeschrittenen Alter oder in der Mitte des Lebens. Es ist nur natürlich, dass mich nach einem über 80 Jahre währenden und wunderbaren Leben diese Fragen nun ganz besonders bewegen.

Es gibt eine ethische Urquelle in uns

Wie ergeht es uns im Moment mit der Sinnfrage? Welche Antworten haben wir? Jeder hat seine angeborene Kompetenz, mit der Sinnfrage sinnvoll umzugehen, auch ohne die Basis religiöser Anstöße. Viele Menschen sind trotzdem unsicher, dabei gibt es wertvolle Anregungen, wie wir uns auf einem systematischen und analytischen Weg der Beantwortung der Sinnfrage annähern können. Wichtig dabei ist: Es gibt keine allgemeingültigen Antworten. Diese muss letztendlich jeder für sich selbst finden.

Im Kern der Beschäftigung mit dem Sinn des Lebens stehen ethische Fragen. Der Dalai Lama spricht von einer ethischen Urquelle, die in den Menschen existiert: „Nach meiner Überzeugung können Menschen zwar ohne Religion auskommen, aber nicht ohne Ethik.“ Goethe meint dazu: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ Diese Aussage lässt sich trefflich nutzen, darauf kann man bauen. Anzumerken bleibt, dass Ethik niemals Ersatzreligion sein kann und darf. Viele Religionen bieten inneren Spielraum für Fanatiker, auch übers Ziel hinauszuschießen. Religion und Liebe kann dann zum Fanatismus führen.

Ethik bietet ein weites Feld – für mich ist sie die Lehre vom sinnvollen Miteinander und der Verantwortung. Ich bin überzeugt, Ethik ist eine Überlebensfrage unserer Gesellschaft. Sinn und Verantwortlichkeit und das sinnvolle Miteinander sind nicht voneinander zu trennen. Die Frage ist natürlich, wie sich dies umsetzen lässt: Wie ist ein sinnvolles Miteinander möglich? Was heißt es, Verantwortung für sich selbst, andere Menschen und die Gesellschaft zu übernehmen? Denn alles, was wir tun und denken, hat eine Bedeutung und Konsequenz für andere Menschen und unser soziales und gesellschaftliches Umfeld – bis hin zu den Folgen für unseren Planeten Erde.

Philosophische Ethik als wertvolle Grundlage

Eine mögliche – und für mich einzig mögliche – Antwort liegt in der philosophischen Ethik. Was ist damit gemeint?

„Ich bin als Mensch der Mittelpunkt meiner (nicht der) Welt, wissend, dass das für jeden anderen Menschen auch gilt. Dem anderen Menschen dabei zu dienen, Mittelpunkt seiner Welt sein zu können, ist die Grundlage des persönlichen und wirtschaftlichen Erfolgs, die Grundlage der Sinnfindung, aber auch die Grundlage des Wirtschaftens und des unternehmerischen Handelns.“

Die philosophische Ethik verbindet altruistische und egoistische, gesellschaftliche und individualistische Aspekte miteinander. Ein möglicher Sinn des Lebens kann sein, dass wir alle verpflichtet sind, unsere Begabungen, Potenziale und Talente auszuschöpfen und zur Entfaltung bringen. Und zugleich ist es unser aller Aufgabe und Verpflichtung, die Menschen in unserem Umfeld – etwa im Unternehmen, am Arbeitsplatz, in der Familie, im sozialen Umfeld, in dem wir uns bewegen – dienend zu unterstützen, auch ihre Begabungen, Potenziale und Talente zu entfalten.

Von der Vision zur DIEN-Norm

Die philosophische Ethik besagt, dass wir alle gleichberechtigt und gleich viel wert sind. Wenn dies alle Menschen denken und beherzigen würden, könnte sogar die Vision vom Weltfrieden Wirklichkeit werden. Denn wenn alle gleichberechtigt und gleich viel wert sind, gäbe es keinen Neid. Niemand würde danach streben, dem anderen etwas wegzunehmen, sei es nun Besitz, Land oder gar das Leben. Jeder könnte sich darauf konzentrieren, die eigenen Potenziale und die Potenziale seiner Mitmenschen zu fördern.

Natürlich, das ist eine Vision. Visionen aber sind das gerade noch Machbare. Sie schwanken zwischen Utopie und Realität und können prinzipiell verwirklicht werden.

Es fiele uns leichter, diese Vision zu realisieren, wenn wir das beherzigen würden, was ich die DIEN-Norm nenne: Die Bereitschaft, dem Anderen zu helfen, ihn bei der Erreichung seiner Ziele zu unterstützen und ihm zu DIENen. Damit ist keine unterwürfige Demutshaltung gemeint. In der philosophischen Ethik steckt auch eine Prise Eigennutz, nach dem Motto: „Löse die Probleme deiner Mitmenschen und du löst deine eigenen“. Eigennutz und Fürsorge für die anderen Menschen sind nicht voneinander zu trennen – dem trägt die philosophische Ethik Rechnung.

Die Antworten auf die Sinnfrage in konkretes Handeln umsetzen

Es stellt sich die Frage „Inwiefern hilft uns die philosophische Ethik in der Auseinandersetzung mit der Sinnfrage?“ Und „Wie lässt sich die Analyse dieser Frage in praktisches Handeln umsetzen?“ Wir müssen hier von der jeweiligen Situation, vor allem aber den jeweiligen Menschen ausgehen, die uns begegnen und mit denen wir zu tun haben. Dazu einige Beispiele:

  • Die Wertegemeinschaft der Unternehmer ist von Menschen geleitet. Die Ethik bietet dafür ein stabiles Fundament. Für Unternehmen ergibt sich zum einen die Aufgabe, dem Kunden zu dienen und dessen Ziele in den Fokus des unternehmerischen Handelns zu stellen. Zum anderen heißt das, Gewinne zu generieren, denn diese Wertegemeinschaft bringt all das Geld auf, das für Soziales, Humanes und Kulturelles benötigt wird. Es gibt viele weitere Wertegemeinschaften, die auch Gutes tun – aber diese Gemeinschaften benötigen ausnahmslos die ökonomischen Mittel, die von der Wertegemeinschaft der Unternehmer erwirtschaftet werden.
  • Als Führungskraft konzentrieren Sie sich darauf, die Mitarbeiter bei der Entwicklung ihrer Potenziale zu unterstützen.
  • Als Bürger fragen Sie sich, was Sie für den Staat und Ihre Mitbürger tun können.
  • Als Familienmitglied steht die Frage im Mittelpunkt, was Sie leisten können, damit die anderen Familienmitglieder jeweils Mittelpunkt ihrer Welt sein können.

Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist so alt wie die Menschheit selbst. Trotzdem ist die Beantwortung der Sinnfrage keine rein philosophische – auch wenn die wir philosophische Ethik als Leitgedanken herangezogen haben. Wie die oben genannten Beispiele zeigen, zieht die Frage nach dem Sinn des Lebens konkrete Impulse für unser praktisches Handeln als Menschen, Unternehmer, Führungskräfte, Mitarbeiter und Bürger nach sich. Wichtig dabei ist, niemals bei der Antwort stehen zu bleiben, sondern sich weiterzuentwickeln – unabhängig von Alter und Lebensumständen. Das ist der Sinn unserer Existenz und führt zu einem sinnvollen, gelungenen und erfüllten Leben.

Über den Autor:

Josef SchmidtEin ungewöhnlicher Lebensweg führt Josef Schmidt, geboren 1934 in Oberfranken, vom Bäckermeister zum Management-Trainer. Seine Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis verdichten sich im Management-Modell „UnternehmerEnergie“ sowie dem Josef Schmidt Colleg in Bayreuth, das er 1985 gründete und das seit 1998 in bewährter Weise von Dr. Dr. Cay von Fournier geführt wird. 2003 mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet, führt Josef Schmidt sein Lebenswerk mit zahlreichen Vorträgen und weiteren Büchern rund um die Unternehmensführung fort.

 
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