Erfolgsfaktor Sinn: Warum Sinnhaftigkeit in Unternehmen keine schöngeistige Philosophie ist

Erfolgsfaktor Sinn
Lesedauer: 4 Minuten

Gehört jetzt auch „Sinn“ in die Toolbox eines Unternehmers oder Managers, um den Kunden und Mitarbeitenden den Sinn, oder besser den „Corporate Purpose“ des Unternehmens zu vermitteln? Analysieren wir, woher dieser Sinn so plötzlich kommt, warum „die Jungen“ danach fragen und die Kunden meist unbewusst darauf abfahren. Auf alle Fälle kann man aus diesem Sinn-Thema wesentlich mehr machen als nur eine philosophische Diskussion. Aber schließlich geht es um uns alle. Um unsere Lebenszeit und wie wir diese stark begrenzte „Ressource“ im Arbeitsleben einsetzen wollen.

Management by Objectives, by Delegation oder by Exception. Immer wieder ändern sich scheinbar die Führungs- und Verhaltensweisen in den Unternehmen. In der einschlägigen Management-Literatur wird alle paar Jahre etwas Neues präsentiert. Ist also das Thema Sinn im Unternehmen nur ein weiteres Schwein, dass durch das Management- und Beraterdorf getrieben wird? Oder steckt vielleicht doch ein Paradigmenwechsel vor dieser Sinnfrage?

In den letzten Jahren wurde das Thema Sinn (Sinn bei der Arbeit und Sinn im Leben) zum öffentlichen Thema. Die jungen Generationen scheinen sich vermehrt die Frage zu stellen, was der Sinn ihres Lebens sei – und welche Rolle die Arbeit darin spielt. Sie haben jahrelang bei ihren Eltern gesehen, welchen Tribut die Arbeitswelt, die Karriere und der Erfolg fordern. Wenn die Eltern nach einem anstrengenden 12-Stunden-Tag geburnoutet nach Hause kamen, war das für die junge Generation nicht unbedingt ein Vorbild, nach dem sie streben wollten. Die ganze Sinn-Aufregung also nur, weil die Jungen „Unruhe“ ins System bringen?

Erfolgsfaktor Sinn – drei Gründe

Es gibt drei gewichtige Gründe, warum sich Unternehmen, und damit die Führungskräfte, aber auch die Mitarbeitenden mit dem Thema Sinn befassen müssen.

Erster Grund: Die Macht der Generationen Y und Z

Nein, die kommen nicht „irgendwann“. Die sind schon da. Die ältesten der Generation Z treten 2020 langsam ins Arbeitsleben ein. Die Jungen „tickten“ schon immer anders als ihre Eltern und Großeltern. Die heutigen Jungen sollen vermehrt danach fragen, „warum“ sie etwas machen. Diese Sinnfrage muss das Unternehmen also beantworten können. „Ansehen, Geld und Goodies“ ist nicht die Antwort auf die Sinnfrage. Diese Faktoren sind natürlich immer noch sehr attraktiv und wichtig. Aber ohne die Antwort auf „wozu soll ich meine unglaublich wertvolle Lebenszeit für Ihr Unternehmen einsetzen“ wird es schwierig, gute Mitarbeitende zu finden. Früher bedankte man sich einfach bei einem Beförderungs-Angebot – und nahm dieses in den meisten Fällen sofort an. „Weiterkommen“ in der Karriere war hier das Ziel. Denn wenn man weiter die Erfolgstreppe erklimmt, erhält man Anerkennung und Ansehen. Man „ist“ dann jemand. Ein Denkmuster, das heute noch in den meisten Köpfen stark verankert ist. Die große Ernüchterung kommt meist, wenn man pensioniert wird und den Titel und damit (vermeintlich) das Ansehen und den eigenen Lebenssinn aufgibt.

Die heutigen Jungen denken bei einem Beförderungs-Angebot häufiger darüber nach, wie sich diese Beförderung auf die Lebenssituation auswirken könnte und ob dies in ihr Lebenskonzept passt.

Zweiter Grund: Brennen für seinen Job – bis der Arzt kommt…

Wie eine Studie des Lebensversicherungskonzerns Swiss Life zeigt, waren 2018 psychische Erkrankungen mit 37 Prozent die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit. Und das sind teilweise auch jüngere Arbeitnehmer, die dadurch aus dem Berufsleben ausscheiden. Natürlich darf man jetzt anmerken, dass ein Burnout in vielen Fällen nicht nur durch die berufliche Belastung ausgelöst wurde, sondern auch private Ursachen mit enthält. Durch diesen Umstand lernen wir, dass die Idee einer Work-Life-Balance blanker Unsinn ist. Es geht nicht darum die Balance zwischen der lebenszeitvernichtenden Arbeit und der schönen Freizeit herzustellen. Es geht darum, dass wir unser Leben so gestalten, dass es für uns Sinn macht, sehr oft Spaß macht und uns erfüllt.

Das Burn-out-Thema wird noch brisanter, wenn man die Zahlen der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bern und Zürich liest: 2007 gab es in Zürich 49 Notfälle, 2017 bereits 649. Das bedeutet, dass selbst unsere Kinder zunehmend überfordert sind.

(https://www.tagesanzeiger.ch/sonntagszeitung/jeder-dritte-schueler-leidet-an-burnoutsymptomen/story/22251235)

Also einfach so weitermachen? Nein. Es geht hier um Menschen. Und zusätzlich um viel Geld: Eine Schweizer Beamtin hat den eigenen Arbeitgeber (Staat) für ihr Burnout verantwortlich gemacht und im Januar 2020 im dritten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Bestätigung erhalten, dass die Fürsorgepflicht verletzt wurde (und damit ein Haftpflichtfall vorliege).

(https://www.watson.ch/schweiz/gesellschaft%20&%20politik/418969437-beamtin-verklagt-staat-und-macht-ihn-fuer-ihr-burnout-verantwortlich)

Abzuwarten, wie lange es dauert, bis auch in Deutschland jemand diesen juristischen Weg begeht und damit einen Präjudizfall schafft.

Die Sinnfrage (und die damit zusammenhängenden Themen) in den Unternehmen zu besprechen, zu thematisieren, ist ein wichtiger erster Schritt. Es geht nicht (nur) darum, einen Prophylaxe-Prozess aufzubauen. Es geht darum, mit den Menschen im Unternehmen zu sprechen. Auch darüber zu diskutieren, was „Karriere, Erfolg, Leistung etc.“ wirklich bedeuten. Das geht alles nicht von heute auf morgen. Die Menschen sind solche Fragestellungen im Unternehmen nicht gewohnt. Aber wenn man diese Themen angeht, kann es passieren, dass das Unternehmensklima sich verändert. Und das ist der Anfang.

Dritter Grund: Wie die Transparenz im Internet die Businesswelt verändert

Die interne und externe Kommunikation in Unternehmen wurde in den letzten Jahren nicht einfacher. Früher reichte es aus, neben Flyern, Werbebroschüren und Preislisten eine aufwändig gedruckte Imagebroschüre zu erstellen. In dieser meist von einer Agentur getexteten Imagebroschüre, verkaufte man sich so, wie man in seinen schönsten Träumen gerne wäre. Mit den gelebten Realitäten hatte das (wenn man ehrlich ist) meist nicht viel zu tun.

Die Kunden, die mit diesen Luxusbroschüren beglückt wurden, blätterten diese durch – und legten diese dann behutsam in der Recycling-Kiste für Altpapier ab. Heute reicht ein Blick auf das Unternehmens-Bewertungsportal Kununu.com, um die brutalste Realität des Unternehmens zu erkennen. Auch hier trifft man nicht die Wahrheit an, sondern sehr oft den schlimmsten Albtraum des Unternehmens. Hier rächen sich entlassene Mitarbeiter bei ihren Chefs (natürlich anonym) und be- und verurteilen das Unternehmen über verschiedenste Faktoren. Ist das Führungsverhalten, die Arbeitsatmosphäre, der Umgang mit älteren Menschen oder die Work-Life-Balance mangelhaft, kann man dies auf der Plattform lesen.

Doch die Transparenz geht noch einen sehr großen Schritt weiter. Journalisten eines großen Zürcher Medienkonzern twittern (anonym) auf ihrer öffentlichen Twitter-Seite Internas nach Außen, weil sie mit der Unternehmens- und Sparpolitik des Medienkonzerns nicht einverstanden sind. Man muss nicht erwähnen, dass der Twitter-Account mehr Follower hat, als der offizielle Kanal des Medienunternehmens auf Twitter.

Jede Alibi-Maßnahme eines Unternehmens (die früher noch ihre positive Wirkung zeigte) wird heute aufgedeckt und darüber im Internet gerichtet. Das bedeutet, alles, was das Unternehmen macht und kommuniziert muss zwingend authentisch, echt und glaubhaft sein.

Wir alle, ob als Mitarbeiter oder als Kunde, haben enorm an Macht gewonnen. Heute hat jeder vernetzte Mensch Zugriff auf tausende Menschen und kann innerhalb weniger Minuten Meinungen im Internet bilden. Ist man mit einem Unternehmen oder einem Produkt unzufrieden, können sich Kunden öffentlich auf Social-Media darüber auslassen. Garantiert finden sich noch weitere unzufriedene Kunden und der Shitstorm kann beginnen. Da hilft aus Unternehmenssicht auch die Verlinkung der schönen Imagebroschüre als PDF nicht mehr…

Buchtipp:

Stefan Dudas

VOLL SINN – Nur was Sinn macht, kann uns erfüllen

Über den Autor:

Dudas StefanStefan Dudas ist Business-Experte für Sinngebung. Der Keynote-Speaker, Coach und Autor „VOLL SINN – Nur was Sinn macht, kann uns erfüllen“ legt humorvoll und tiefsinnig das Fundament für neue Denk-Ansätze. Sein Suxess-System für sinnbasiertes Management vermittelt Sinnhaftigkeit in Führung, Kommunikation sowie Motivation.

 
Werbung
Wissen vermehrt sich, wenn man es teilt:
Gastautor
Bei 3 Minuten Coach schreiben anerkannte Experten über interessante Themen in den Bereichen Bewerbung, Karriere, Online Reputation, Soft Skills, Effektivität & Effizienz, Management, Vertrieb und Weiterbildung. Nähere Informationen zu den einzelnen Autoren befinden sich am Ende jedes Beitrages.

Wie denkst du darüber? Teile uns deine Meinung mit! Hinterlasse doch einen Kommentar: