In der Praxis stellen sich viele Verkäufer bei ihrer Verkaufsargumentation selbst ein Bein. Sie sind mit gewissen Einwänden überfordert, werten kritische Äußerungen als Angriffe – und provozieren darüber hinaus selbst häufig Kaufzurückhaltung und Skepsis, weil sie nicht kundenindividuell genug vorgehen.
Kunden sind während eines Verkaufsgesprächs oft unbewusst auf Fehlersuche. Schließlich ist das Risiko groß, dass Anbieter ihnen etwas verkaufen (könnten), was nicht optimal für sie geeignet ist. Dies führt zu unterschiedlichen Verhaltensweisen. Manche Kunden konfrontieren Verkäufer nahezu mit einem Fragegewitter wie „Wo steht das?“ und „Was passiert, wenn …?“, andere hingegen halten sich zurück – und verabschieden sich höflich mit den Worten „Ich überlege mir das noch“ sowie der Bitte um Unterlagen oder ein schriftliches Angebot.
Kunden müssen Einwände äußern
Wer denkt, dass Kunden Einwände aussprechen, um Verkäufer zu ärgern, der irrt. Meist sind sie nur eine konsequente Folge von falschen Vorgehens- und Interpretationsmöglichkeiten des Verkäufers. Der Hauptgrund für Einwände ist das kundenseitig fehlende Gefühl von Sicherheit, mit der Kaufentscheidung letztendlich auch mit etwas Abstand eine gute Wahl getroffen zu haben. Weitere Möglichkeiten sind:
- Kunde hat kein Vertrauen zur angebotenen Lösung
In manchen Branchen und Produktkategorien sind Kunden nahezu „traumatisiert“. Sie haben schon öfters Fehlkäufe erlebt, oder davon gehört, und bringen deshalb eine große Portion Skepsis mit in das Verkaufsgespräch hinein, die sich in ausgesprochenen und nicht ausgesprochenen Einwänden niederschlägt.
- Kunde traut dem Verkäufer nicht
Ein Kunde fragt sich schnell mal: Kann mein Gegenüber mir wirklich helfen, wenn es nach dem Kauf nicht so läuft, wie geplant? Wie sieht es mit der Beratungskompetenz aus? Behauptet der Verkäufer so einiges „nur“, um zu verkaufen – oder will die Person dem Kunden wirklich helfen, eine optimale Kaufentscheidung zu treffen?
- Kunde versteht das Angebot fachlich nicht
Nicht selten werfen die Produktpräsentation oder das schriftliche Angebot selbst Fragen auf, die Kunden verunsichern. Wer hat schon Lust dazu, einen Vertrag zu unterschreiben, den er eigentlich gar nicht versteht? Oder einem Verkäufer zuzuhören, dem er nicht anstrengungsarm folgen kann?
- Kunde hat Angst vor Manipulation
Kunden wissen, dass Verkäufer im Zweifelsfall „Schönredner“ sind, schließlich werden sie oft an ihrem Umsatz gemessen – und nicht an ihrer Kundenbindung. Spätestens bei suggestiven Formulierungen oder oberflächlichen Antworten schrillen dann bei vielen Kunden die Alarmglocken.
- Kunde hat andere Prioritäten
Nur weil Verkäufer ihr Angebot als eine Bereicherung für ihre Kundschaft sehen, muss dies noch lange noch nicht von diesen ebenfalls so empfunden werden. Entscheidend ist nicht, was der Verkäufer zum Kunden sagt, sondern der Kunde zu sich selbst.
- Der Kunde will einfach nicht
Es gibt Verkäufer, die partout nicht verstehen bzw. akzeptieren können, wenn Kunden – aus welchen Gründen auch immer – keine Geschäfte mit ihnen machen wollen. Aber jemand, der beispielsweise überzeugter Vegetarier ist, wird sich wohl kaum von einem Anbieter zum Fleischkonsum überreden lassen. Auch in weniger deutlichen Situationen machen sich Anbieter mit jeder weiteren Argumentation für den Gesprächspartner noch unattraktiver.
- Gewisse Strukturen und Hierarchien
Die Folgen von Einkaufsentscheidungen betreffen oft nicht nur die einkaufende Person selbst, sondern auch andere Menschen – beispielsweise Kollegen oder die eigene Familie. Darum wirken manchmal Andere – wenn auch nur unbewusst – auf die Kaufentscheidung des Kunden mit ein.
Was zählt, um Einwände entkräften zu können
Wer zukünftig schneller und einfacher verkaufen will, sollte bei sich selbst anfangen.
- Zuerst sich selbst das Angebot verkaufen
Viele Verkäufer wissen selbst nicht genau, warum ihre Produkte oder Dienstleistungen wirklich(!) eine Bereicherung für gewisse Kunden sind. Zwangsläufig werden solche Anbieter an anspruchsvollen Kunden scheitern, da sie nicht bedarfsgerecht und kundenindividuell argumentieren und präsentieren können. Was will man denn auch einem Kunden sagen, wenn man denkt „Eigentlich weiß ich selbst nicht, warum du mit mir Geschäfte machen solltest“?
- Interessant und relevant für Kunden sein
Schweigen ist nicht Zuhören. Doch viele Verkäufer vergessen diese wichtige kommunikative Regel. Hauptaufgabe eines Verkäufers ist es, mit Fragen herauszufinden, was der Kunde warum, so wie angefragt, braucht. Zwar kennen viele den Spruch „Wer fragt, der führt!“, aber wie viele gute Fragen können Verantwortliche wirklich stellen – und stellen sie auch in der Praxis?
- Fair, sympathisch und auf Augenhöhe
Auch wenn Verkäufer die Aufgabe haben, zu verkaufen, so sollten sie dies nicht auf Krampf versuchen. Ehrliche Verkäufer führen ihre Gespräche so, dass sie im Zweifelsfall auch herausfinden, dass es keine beidseitige gemeinschaftliche Basis für eine gute Zusammenarbeit gibt. Sehr guten Verkäufern gelingt dies sogar schon beim Erstgespräch, da sie ihre Fragen so stellen, dass mögliche kritische Punkte von beiden Seiten frühzeitig benannt werden.
Kunden sind oft zu höflich – und flunkern
Auch wenn es sich Verkäufer manchmal wünschen, dass ihre Geschäftspartner Klartext reden, damit man weiß, woran man ist, machen dies nur die Wenigsten. Kaum ein Kunde wird zu einem Verkäufer sagen „Bitte gehen Sie noch nicht, Sie haben mich noch nicht überzeugt“ oder „Wissen Sie, Ihr Mitbewerber ist 30 Prozent günstiger – und bietet mir das Gleiche wie Sie an. Ich habe das Gefühl, dass Sie mich hier betrügen wollen“. Eher werden Kunden in solcher Situation etwas Nettes und Freundliches sagen, beispielsweise „Ich überlege mir das noch!“, „Haben Sie vielleicht Unterlagen?“ oder auch „Das ist mir zu teuer!“. Warum? Weil sie fürchten müssen, wenn sie frei heraus sprechen, dass ihr Anbieter die Contenance verliert – und vom „Beratungsmodus“ in den „Belehrungsmodus“ wechselt. Außerdem: Wenn man als Kunde gedanklich sowieso schon einen anderen Anbieter favorisiert, warum sollte man sich dann noch weiter anstrengen und das konstruktive Gespräch suchen?
Einwand oder Vorwand?
Im Verkauf wird zwischen Einwänden und Vorwänden unterschieden. Einwände sind echte Kaufhindernisse, also die Wahrheit. Vorwände sind diplomatische Notlügen, die dem Kunden als auch oft dem Verkäufer helfen sollen, ihr Gesicht zu wahren. So sagt vielleicht ein Kunde, weil er die Beziehung zu seinem Anbieter nicht verlieren möchte „Sie sind zu teuer!“ und denkt tatsächlich „Ich glaube nicht, dass Sie mein Problem lösen können.“ Schließt nun der Verkäufer aufgrund der Kundenaussage „Sie sind zu teuer!“ daraus, dass der Preis das Allheilmittel ist, weil er diese Aussage als Einwand interpretiert, wird er sich schnell wundern, wenn der Kunde trotz Rabatt weiterhin nicht kauft. Vielmehr wird sogar manch ein Kunde aufgrund des Rabattes noch stärker verunsichert, weil er denkt „Ich dachte ja schon, dass der das nicht kann. Und nun wird er noch billiger. Dann muss das ja schief gehen!“
Aus diesem Grund sollten Verkäufer gewisse Kundenaussagen lieber erst einmal hinterfragen, statt gleich mit der Lösung zu kommen. Beispielsweise „Okay, der Preis muss natürlich stimmen. Gibt es sonst noch etwas, das Sie zögern lässt?“ Viele Verkäufer ahnen oft aufgrund ihrer Erfahrung, was zwischen ihnen und ihren Kunden wirklich steht. Wer mutig von sich aus einen sehr wahrscheinlichen Einwand anbietet, baut Brücken. „Irgendwie habe ich das Gefühl, ich habe Sie noch nicht ganz überzeugt. Viele Kunden fragen sich manchmal, ob das wirklich so funktioniert, wie ich hier aufgezeigt habe. Ist es vielleicht das, was Sie zögern lässt?“
Einwandbehandlungstechniken mit starker Wirkung
Nachfolgend drei Strategien, um zukünftig noch souveräner mit Einwänden und Bedenken umzugehen.
- Die positive Interpretation
Entscheidend ist, dass sich kein Verkäufer angegriffen fühlen darf, nur weil der Kunde kritische Aussagen oder Einwände äußert. Wer sich angegriffen fühlt, kommt schnell in die Rechtfertigung – und verliert damit die Souveränität. Auf den Einwand „Das ist zu teuer!“ mit einem Rabatt zu argumentieren, ist keine Lösung – wie wir soeben gelesen haben. Und führt den Verkäufer auch nicht in seine Kraft. Besser ist es, eine solche Aussage positiv zu interpretieren „Schön, jetzt muss ich meinem Kunden nur noch erklären, weshalb ich meinen Preis wert bin, dann wird er kaufen.“
Jeder Einwand lässt sich positiv drehen, um das Verkaufsgespräch weiterhin auf Augenhöhe zu führen. Statt also beim Einwand „Wir haben schon einen Lieferanten.“ dies negativ mit „So ein Ärgernis. Jetzt komme ich nicht ins Geschäft.“ abzuhaken, könnte die positive Interpretation sein „Prima, er hat schon verstanden, warum er grundsätzlich genau das braucht, was wir anbieten. Er kauft das sogar schon ein! Jetzt muss ich ihm nur noch erklären, weshalb ich für ihn der zukünftig bessere Anbieter bin.“
- Die Einwandvorwegnahme
Es gibt gewisse Fragen und Situationen, die nahezu in jedem Verkaufsgespräch auftreten. Beispielsweise die Frage nach dem Preis. Die spannende Frage: Ist es gut, wenn Verkäufer immer(!) den Preis relativ spät im zeitlichen Verlauf nennen? Die Antwort: Nein! Umso eher der Kunde das Gefühl hat, dass er dem Anbieter den Preis aus der Nase „ziehen“ muss, desto mehr bekommt der Kunde das Gefühl „Mit dem Preis scheint etwas nicht zu stimmen.“ Kurz: Der Verkäufer baut durch seine falsche Dramaturgie sogar Einwände und Hemmnisse beim Kunden auf.
Im Sinne der Einwandvorwegnahme wirkt es deutlich souveräner, von sich aus als Verkäufer viel offener mit dem Preis umzugehen – und diesen auch eher zu thematisieren, als der Kunde selbst danach gefragt hätte. Kennt also der Verkäufer den Verkaufspreis oder die voraussichtliche Spanne, warum dem Kunden den Preis nicht ganz offen sagen? Zum einen merkt der Kunde so, dass der Verkäufer zu seinem Preis steht, weil er diesen frei heraus sagt. Zum anderen weiß nun auch der Verkäufer aufgrund der Reaktion, wie der Kunde über den Preis denkt – und kann entsprechende Maßnahmen ergreifen.
- Einfach mal nachfragen
Häufig sind Verkäufer im „Sendemodus“. Stellt der Kunde eine Frage, wird diese umgehend beantwortet. Im schlimmsten Fall auch noch sehr langatmig. Das Risiko ist groß, dass Verkäufer die Frage des Kunden falsch interpretieren und Informationen geben, die wenig sinnvoll sind und die Beziehung vielleicht sogar eher zerstören, statt zu festigen.
Auch wenn es sich früher manche Erziehungsberechtigten sehr leicht mit der Anweisung „Man antwortet nicht mit einer Gegenfrage auf eine Frage!“ gemacht haben, so ist diese Vorgehensweise dennoch oft sehr zielführend – für beide Seiten. Denn wer als Verkäufer Fragen stellt, um seinen Kunden besser zu verstehen und so die weitere Kommunikation nicht nur sicherstellt, sondern sogar verbessert, steigt in der Achtung seines Gegenübers.
Einwände im Verkaufsalltag sind also an sich gar kein Problem. Was aber zu Problemen führt, ist, wenn Verkäufer nicht genügend Ansätze und Ideen haben, wie sie souverän mit solchen Kundenaussagen umgehen können – und so in Stress geraten. Kunden wollen letztlich „nur“ das Gefühl der Sicherheit, dass es das Vernünftigste auf der Welt ist, jetzt mit dem Verkäufer zusammenzuarbeiten. Und darum verhalten sie sich in der Praxis so, wie sie es tun.
Über den Autor:
Der Verkaufstrainer Oliver Schumacher ist Sprechwissenschaftler (M.A.) und setzt auf sympathische, fundierte Art neue Akzente in der Verkäuferausbildung. Unter dem Motto „Ehrlichkeit verkauft“ zeigt er Verkäufern, wie sie souverän neue Kunden gewinnen, Kaltakquise erfolgreich meistern und sich – selbst bei schwierigen Preisverhandlungen – fair behaupten. Vielen ist der mehrfache Buchautor durch seine zahlreichen Videos auf YouTube bekannt. Vor dem Start seiner Selbstständigkeit 2009 arbeitete er über 10 Jahre sehr erfolgreich im Verkaufsaußendienst für einen börsennotierten Hersteller von Markenartikeln.