
Die Suche nach geeigneten Unternehmensnachfolgern ist für Inhaber, Mitarbeiter und Gesellschaft ein kritisches Thema, das in den nächsten Jahren an Brisanz gewinnt. Die bisher genutzten passiven Methoden funktionieren immer schlechter. Methoden aus dem Recruiting, Verkauf und Marketing können helfen, um erfolgreicher den passenden Nachfolger zu finden.
Zeit zur Übergabe
Im Olymp des antiken Griechenlands stahl Prometheus den Göttern das Feuer, brachte es sicher zu den Menschen und schenkte ihnen dadurch Erleuchtung und Weisheit. Zum Gedenken wird auch heute noch alle 4 Jahre das olympische Feuer neu entzündet und über Fackelträger aller Länder zum Ort der nächsten Olympiade gebracht, um diese mit seinem Geist zu beseelen. Während der Spiele erinnert die Disziplin des 4*400 Meter Staffellaufs an den Mythos. Entscheidend sind dabei Geschwindigkeit, Ausdauer und die saubere Übergabe des Stabs an den nächsten Läufer.
Auch jedes Unternehmen begann einmal als eine inspirierende Idee, die sein Gründer sicher auf die Welt brachte. Wird sie erhalten und genährt, kann sie wachsen. Um sie weiterzuverbreiten, braucht es irgendwann einen geeigneten Nachfolger. Aktuell biegen zehntausende Unternehmer auf die Schlussgerade ihrer Etappe ein und müssen feststellen, dass dort niemand wartet, um ihr Lebenswerk zu übernehmen. Viele laufen erst einmal weiter, spüren aber, wie es von Runde zu Runde schwieriger wird, den Stab nicht einfach fallen zu lassen.
Garanten für den Wohlstand
Unternehmen sind mehr als nur materialisierte Ideen. Letztlich ist es ihr Handeln, das die Welt voranbringt und den Wohlstand sichert. Die meisten der rund 6 Millionen Unternehmen im DACH-Raum sind Familienunternehmen, die vom Inhaber gegründet oder übernommen wurden. Die Mitarbeiter schätzen die Atmosphäre und die Nähe zum Chef. Dessen Verantwortung prägt das Klima und erhöht die Identifikation und Loyalität. Ein Beispiel bietet Trigema, das letzte Textilunternehmen, das noch in Deutschland produziert: Wolfgang Krupp führte es aus den achtstellig roten Zahlen zum Erfolg, gab allen Mitarbeitern eine Arbeitsplatzgarantie und erlangte als „König von Burladingen“ Kultstatus, bevor er Ende 2023 den Betrieb seinen Kindern übergab.
Ob kleine Kanzleien und Handwerksbetriebe oder mittelständische Industrieunternehmen: Bis vor gar nicht allzu langer Zeit war es Ehrensache, dass ein Kind das Unternehmen der Eltern übernahm. Die Übergabe konnte langfristig geplant werden. Die Nachfolge innerhalb der Familie bot die besten Chancen, um den Gründergeist und die Kultur zu erhalten. Und die Kinder haben die Kernwerte des Unternehmens bereits mit der Muttermilch aufgesogen, spüren aber auch, welche alten Zöpfe es abzuschneiden gilt, um mit dem Zeitgeist Schritt zu halten. So stellte Bodo Janssen nach dem tragischen Tod seiner Eltern das Thema Wertschätzung ins Zentrum seiner Arbeit und machte die Hotelkette Upstalsboom zum beliebtesten Arbeitgeber der sonst so gebeutelten Branche.
Nachfolger verzweifelt gesucht
Durch die demografische Entwicklung und die schrumpfenden Familien wird auch die Suche nach internen Nachfolgern immer schwieriger: Wolfgang Krupp musste nach seinem 65. Geburtstag noch weitere 15 Jahresrunden laufen, bis er schließlich als 80-jähriger die Verantwortung für Trigema und die über 1000 Mitarbeitenden übergeben konnte. Was ihm gelang, steht rund 1 Million Betrieben im DACH-Raum bis 2030 noch bevor. Das Problem dabei: Immer häufiger fehlt der eigene Nachwuchs, die Eignung oder das Interesse.
Ermüdende Suche
Wenn der Nachwuchs fehlt oder nicht will, ist das Lebenswerk bedroht. Einige Unternehmer sind finanziell unabhängig, andere auf den Verkauf angewiesen. Ebenso wichtig: All die Zeit und Energie, die im Laufe der Jahre investiert wurden, haben das Unternehmen zu einem vertrauten Partner gemacht. Den im Stich zu lassen, fühlt sich für viele wie Verrat an. Einfach aufzugeben, wäre von daher die schlechteste Lösung.
Institutionalisierte Partner helfen bei der Suche nach externen Nachfolgern. Ein passender Indikator für die Entwicklung ist von daher die Zahl der Nachfolgeberatungen der IHK. Diese zeigen, dass seit dem Jahr 2012 die Situation gekippt ist. Im Jahr 2020 erfolgte ein weiterer Rückgang der Nachfrage, von dem sich der Markt seither nicht erholt hat. Die Angebote übersteigen den Bedarf mittlerweile um das Dreifache. Infolge der Entwicklung befürchten rund 40 Prozent der Unternehmen in Deutschland, ihre Türen endgültig schließen zu müssen.[1]
Das sinkende Interesse führt dazu, dass die bislang eher passiv betriebene Suche über Unternehmensbörsen, Plattformen wie www.nexxt-change.org oder Netzwerke immer seltener zum Erfolg führt. Ist die Zeit für Generationswechsel gekommen, tritt das Unternehmen in eine heikle Phase ein: Bereits das Bekanntwerden der Suche kann sich negativ auf das Geschäft auswirken. Wenn vermeintlich das Ende naht, beginnt die eigene Relevanz zu sinken. Die Mitarbeiter spüren den Wandel, die Besten sehen sich rasch nach Alternativen um. Ebenso kritisch: Wie reagieren die Konkurrenten?
Findet sich ein Interessent, ist der Verkauf noch lange nicht gesichert. So verhindert regelmäßig der sogenannte „Wohnzimmereffekt“ den einfachen Verkauf: Der Effekt beschreibt, dass man sich im eigenen Heim an die Räumlichkeiten gewöhnt und dadurch nicht registriert, wie diese nach und nach an Substanz verlieren. Was jedoch für den Bewohner im Laufe der Zeit zur Normalität wird, sticht neu hinzukommenden Beobachtern direkt ins Auge. Gleiches gilt für Unternehmen: Potenzielle Nachfolger finden von daher plötzlich Mängel, die der alte Eigentümer im Laufe der Jahre aus den Augen verloren hat. Damit das nicht passiert, gilt es vorzubeugen.
Auch wenn der Verkauf, gelingt, bedeutet das nicht, dass die Übergabe wirklich erfolgreich ist. Viel kann passieren. Auch das: Wenn der neue Eigentümer den Betrieb einfach übernimmt und ausschlachtet, bleibt in jedem Fall ein schaler Nachgeschmack. Wie findet sich also der richtige?
Aktive Antworten auf komplexe Herausforderungen
Die Situation ist herausfordernd, aber bewältigbar. Schon das Buch der Bücher weist auf eine Lösung hin: Wenn der Nachfolger nicht zum Unternehmen kommt, muss das Unternehmen eben zum Nachfolger kommen! Da die passive Suche immer schlechter funktioniert, ist es am Unternehmen, aktiv zu werden. Neben den üblichen Aufgaben, die es vor einer Übergabe ohnehin zu erledigen gilt, hilft die Expertise aus drei Bereichen, die sonst nur indirekt mit dem Thema Nachfolge in Verbindung gebracht werden: Employer Branding, Recruiting und Key Account Management.
Employer Branding: Genauso wie sich neue Mitarbeiter fragen, ob ein Unternehmen eine attraktive Kultur, sinnvolle Tätigkeit und nachhaltige Ausrichtung hat, fragt sich das auch der neue Unternehmer. Der Wert eines Unternehmens steckt zu einem erheblichen Teil in der Kultur und dem Human-Kapital. Wenn das Unternehmen einen schlechten Arbeitgeberruf hat, schreckt das talentierte Potenzialträger ebenso ab wie potenzielle Nachfolger.
Die Priorisierung der Unternehmenskultur macht das Unternehmen nicht nur attraktiver, sondern auch nachhaltig erfolgreicher. Eine Heidrick & Struggles Studie belegte bereits 2021, dass die Priorisierung der Kultur zu einer mehr als doppelt so hohen Rentabilität führte, wie der Fokus auf andere Faktoren.[2]
Talent Akquisition und Recruiting: Moderne Personalgewinnung nutzt seit Jahren proaktive Methoden wie Active Sourcing, Performance Recruiting oder Reverse Recruiting. Die Suche nach einem neuen Unternehmer ist eine größere Herausforderung, doch im Kern die gleiche Aufgabe. Der erste Schritt besteht darin, sich über folgende Punkte klarzuwerden:
- Worauf kommt es bei der Passung an?
- Wo lassen sich geeignete Kandidaten finden?
- Gibt es Kooperationspartner, die uns dabei unterstützen können?
- Wie können Kandidaten evaluiert und überzeugt werden?
Eine besondere Bedeutung hat der Cultural-Fit. Wie dieser ermittelt wird, habe ich an anderer Stelle beschrieben[3]. Eine weitere Hilfe aus dem Marketing bietet die Definition der Zielgruppe und Candidate Persona, um daraus die passende Ansprache, die zu adressierenden Werte sowie die Orte, an denen man fündig werden kann, abzuleiten.
Key Account Management
Ist der Kontakt hergestellt, greifen die klassischen Aufgaben aus dem Key Account Management und Verkauf, um zu überzeugen. Die folgenden 10 Leitfragen helfen bei der Vorbereitung:
- Welche Motive können wir mit welchen Argumenten und Merkmalen bedienen?
- Welche Erwartungen gilt es zu übertreffen?
- Auf welche Einwände braucht es überzeugende Antworten?
- Was ist der USP unseres Unternehmens, passend zu den Präferenzen des Nachfolgers?
- Ist der überzeugende Pitch eingeübt für den Fall, dass der alte Unternehmer überraschend auf einen potenziellen Kandidaten trifft?
- Wie kann dessen Interesse und Dringlichkeitsbewusstsein erhöht werden?
- Wie kann sein Vertrauen gewonnen werden?
- Welche Storys treffen die Werte des neuen Unternehmers?
- Mit welcher Peer Group identifiziert er sich?
- Welche Kooperationspartner erleichtern den Zugang zur Zielgruppe?
Fazit: Erfolgreiche Suche durch neue Methoden
Die Unternehmensübergabe stellt uns als Gesellschaft und Wirtschaft in den nächsten Jahren vor besondere Herausforderungen. Eine immer größer werdende Anzahl an Unternehmen trifft auf eine sinkende Zahl aktiver Interessenten. Regelmäßig erschwert die Unternehmenskultur die Übergabe. Unternehmer, die in diesem Bereich aktiv werden wollen, müssen frühzeitig strategisch handeln. Erfahrungsgemäß sollte man hierfür 2-3 Jahre rechnen. Anschließend gilt es, gezielt Techniken und Methoden aus Recruiting und Sales zu nutzen. Standardlösungen funktionieren immer schlechter, wichtig ist es, individuelle Lösungen zu finden, diese hängen vom einzelnen Unternehmen, seiner Kultur, Branche und der Region ab. Auch wenn die letzte Herausforderung nicht die einfachste ist, ist sie dennoch bewältigbar. Gelingt die Übergabe, steht dem zufriedenen Lebensabend des bisherigen Inhabers und dem Erfolg des Nachfolgers nichts mehr im Wege.
Über den Autor:
Christian Bernhardt gilt als einer der führenden Experten zum Thema „Nonverbale Kommunikation im Recruiting“. Als Kommunikationspsychologe und Körpersprachetrainer hat er zahlreiche Unternehmen branchenübergreifend bei der Stellenbesetzung unterstützt. In Deutschland und der Schweiz ist er zudem ein gefragter Referent sowie Coach für Führungskräfte rund um die Themen Fachkräftemangel und Wertschätzung. www.bernhardt-trainings.com
[1] https://www.deutschland-startet.de/unternehmensnachfolge/unternehmensnachfolge-daten/
[2] https://www.heidrick.com/-/media/heidrickcom/publications-and-reports/aligning-culture-with-the-bottom-line.pdf
[3] https://www.bernhardt-trainings.com