Lampenfieber und Bewertungsängste sind weiter verbreitet als man angenommen hat. Gerade weil sie als Tabuthema gelten, können sie sich gut halten und im Verborgenen weiter ausbreiten unter dem Motto: Hauptsache die anderen bekommen nichts mit. Dass dabei Lebensqualität und vor allem Leistungsvermögen verloren geht, muss aber nicht sein!
„Hoffentlich werde ich nicht nervös sein! Was ist wenn ich ein Blackout habe oder meine Stimme zittert? Hoffentlich lachen mich die anderen nicht aus. Wahrscheinlich halten mich die Zuhörer für inkompetent. Kann sein, dass ich dadurch meinen Job verliere.“ Solche und ähnliche Katastrophengedanken vor einem öffentlichen Auftritt gehen nicht nur blutigen Anfängern durch den Kopf. Auch gestandene Politiker, Manager oder Vortragende sind davor nicht gefeit. Und alle befürchten in höchstem Maße, das Publikum könnte etwas von ihrer Nervosität und Angst mitbekommen, denn das wäre das Ende ihrer Karriere.
Es wird dabei übersehen, dass es fast allen so geht. 80 Prozent der Menschen verspüren Lampenfieber, wenn sie vor den Augen anderer Leistung erbringen sollen. Doch Auftritts- und Bewertungsängste sind immer noch ein Tabuthema. Zu groß ist die Scham, man könnte als Angsthase entlarvt werden.
Dabei ist Lampenfieber eine ganz normale und natürliche Reaktion des Körpers auf herausfordernde Situationen. Für spezielle Aufgaben stellt unser Gehirn ein mehr an Energie zur Verfügung. In angemessenem Maße erhöht sie unsere Aufmerksamkeit, Konzentration und Präsenz, um für unvorhersehbare Situationen, die Auftritte und Reden vor Publikum mit sich bringen, bestens gerüstet zu sein.
Doch in den meisten Fällen verwandelt sich gesundes Lampenfieber in störende Auftrittsangst, die Wohlgefühl und Leistungsvermögen stark beeinträchtigt. Wie schade, wenn man spürt, dass noch viel mehr drin wäre. Man ist mit der eigenen Leistung unzufrieden.
Da diese Ängste für die Betroffenen meist nicht nachvollziehbar und unbegründet sind, fühlen sie sich ihnen hilflos ausgeliefert.
Es ist möglich Auftrittsangst in den Griff zu bekommen, um im entscheidenden Moment die persönliche Höchstleistung zu bringen.
Steuern Sie Ihre Gedanken:
Die oben beschriebenen Katastrophengedanken sorgen dafür, dass das Herz klopft und einem die Schweißperlen auf der Stirn stehen. Ängstliche Menschen sind sehr phantasiebegabt und malen sich ihr Versagen in allen Farben und Facetten bildhaft aus. Vor dem inneren geistigen Auge läuft der Film des Scheiterns ganz konkret ab. Wenn man nun weiß, dass es dem Gehirn völlig egal ist, ob wir uns etwas nur vorstellen oder ob wir es real erleben, dann ist völlig klar, dass es auf solche Bilder nur mit Panik reagieren kann. Fazit: Gedanken können die Nervosität steigern – aber auch verringern.
Überlegen Sie sich deshalb ein paar Sätze, die sie beruhigen. Sie müssen nicht der tollste Redner sein. Es genügt, wenn Sie sich zum Beispiel sagen: „Ich schaffe es schon. Und wenn ich einen Fehler mache, kann ich trotzdem ruhig weiter reden.“ Sie können auch Ihren inneren Film ändern und sich Ihren Erfolg mit all Ihren Sinnen vorstellen. Tun Sie einfach mal so, als wären Sie schon so gut, wie Sie sein möchten. Viele Spitzensportler wenden diese Techniken aus dem Mentaltraining an. Damit die Übungen besonders wirksam werden, sollten Sie zur Ruhe kommen und sich in den sogenannten Alpha-Zustand begeben. Der Körper ist dabei so locker wie im Tiefschlaf, aber reaktionsfähig und mit einer messbar höheren Energie.
Machen Sie Bewegung
Somit kommen wir zur physischen Ebene. Lampenfiebersymptome wie Zittern, Herzklopfen, Schweißausbrüche, Frosch im Hals, Leere im Gehirn etc. entstehen durch Überschwemmung des Körpers mit den Stresshormonen Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol. Diese stellen enorme Energie für Flucht oder Angriff zur Verfügung. Dieses Gehirnprogramm hat zu Urzeiten unser Überleben gesichert, wenn wir Gefahren ausgesetzt waren. Für Auftritte und Reden ist es jedoch gar nicht hilfreich. Da die Programmierung bis heute aber kein Update erhalten hat, müssen wir andere Wege finden, um damit umzugehen. Sport und Bewegung bauen Stresshormone ab. Ein Gang um den Häuserblock, Schattenboxen, etc. eignen sich hervorragend, um vor einer Präsentation Stress abzubauen. Auch Atemübungen helfen Herzschlag und Puls zu normalisieren. Auch Entspannungstechniken wie Yoga oder Progressive Muskelrelaxion nach Jacobson machen Körper und Geist ruhig.
Nehmen Sie Ihre Angst an
Es kann für Sie widersprüchlich und paradox klingt, aber Sie müssen zunächst einmal Ja zur Ihrer Angst sagen. Je mehr Sie sich selbst dafür verurteilen, dass Sie über alle Maßen aufgeregt sind, desto größer wird Ihre Furcht und desto stärker die Symptome. Sagen Sie sich: „Es ist ja NUR meine Angst.“ Sie kennen sie ja nur zu gut und wissen, dass Sie daran nicht sterben werden. Wenn Sie sich sagen „Es ist OK, Angst zu haben“, können sich Ihre Emotionen und die körperlichen Reaktionen beruhigen. Zugeben ist überhaupt der erste Schritt, um seine Ängste zu bearbeiten zu können.
Üben Sie gutes Präsentationsverhalten ein
Besuchen Sie ein Seminar und lernen Sie wie man eine gute Gliederung macht. Wenn Sie inhaltlich und strukturell gut vorbereitet sind, werden Sie sich sicherer fühlen. Üben Sie eine selbstbewusste Körpersprache ein, denn der physische Ausdruck wirkt auf Ihre innere Befindlichkeit zurück. Achten Sie auf eine gute, aufrechte Haltung, einen sicheren Stand, eine gezielte Gestik und vor allem auf einen dauerhaften Blickkontakt. Sprechen Sie in einem passenden Tempo und mit fester Stimme. Üben Sie diese Dinge schon lange Zeit vor dem Vortag ein, sodass sich Ihr Körper im entscheidenden Moment daran erinnern kann, sich automatisch souverän bewegt und Ihnen ein Gefühl von Sicherheit und Gelassenheit vermittelt.
Überlegen Sie bitte auch, welche Rolle sie spielen wollen. Sie können Ihren Auftritt nicht ebenso gestalten wie wenn Sie mit Freunden auf dem Sofa herumlungern. Was erwarten Sie von einem Redner an Ihrer Stelle? Keine Sorge: Sie bleiben trotzdem Sie selbst und authentisch. Zeigen Sie einfach Persönlichkeit.
Und wenn alles nichts hilft….
..dann müssen Sie noch einen Blick zurück in Ihre Vergangenheit – zumeist in Ihre Kindheit werfen. Welche Aussagen sind Ihnen damals eingeprägt worden? Kennen Sie Sätze wie „Stell Dich doch nicht immer in den Mittelpunkt!“ Was ist damals geschehen, wenn sie es doch getan haben? Sie wurden getadelt, zurückgewiesen oder mit Liebesentzug bestraft. Auf alle Fälle hat es Ihnen ein schlechtes Gefühl bereitet, da es von Ihren Bezugspersonen negativ bewertet wurde. Auch wenn Ihre Eltern selbst ungerne vor anderen gesprochen haben, haben sie das mitbekommen.
Unser Gehirn denkt nämlich „Das fühlt sich an wie…..“ Wie damals, vor einer halben Ewigkeit, als Ihnen Auftritte vor anderen letztendlich ein unangenehmes Gefühl beschert haben. Ihr Gehirn reagiert mit denselben Emotionen wie vor x Jahren.
Hilfreich ist, sich der alten belastenden Glaubenssätze bewusst zu werden, denn die Stimmen von Lehrern und Eltern wirken in uns weiter. Überprüfen Sie, ob diese Aussagen heute noch wahr sind, und ändern Sie sie. Erlauben Sie sich, anders zu sein als Ihre Eltern. Das dauert einige Zeit – haben Sie also Geduld mit sich selbst. Mit Hilfe und Unterstützung von Coaching oder einer Therapie gelingt es schneller.
Gute Vorbereitung auf allen Ebenen
Aus meiner Erfahrung kann ich nur empfehlen, auf allen Ebenen zumindest eine Übung zu trainieren: Machen Sie sich mit förderlich-stärkenden Gedanken mental fit für Ihren Auftritt. Wählen Sie eine Atem- und eine Körperübung aus. Akzeptieren Sie Ihre Gefühle und haben Sie Verständnis und Mitgefühl mit sich selbst. Ein guter Stand, eine feste Stimme, eine aufrechte Haltung und Blickkontakt mit dem Publikum lassen Sie professionell und kompetent wirken. Das wiederum bringt Ihnen ein gutes Feedback ein. Und bearbeiten Sie zunächst einmal den Glaubenssatz, der Sie am meisten daran hindert, aus Ihrem vollen Potential zu schöpfen.
Beginnen Sie rechtzeitig mit den Übungen! Mentaltraining braucht drei bis vier Wochen tägliches Training, um wirksam zu werden. Wann immer Sie einen Rückfall erleiden, haben Sie Geduld mit sich selbst und bleiben Sie dran! Es lohnt sich auf alle Fälle. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und vor allem immer mehr Spaß bei Ihren nächsten Reden, Präsentationen und Auftritten!
Über die Autorin:
Maria Staribacher BA, MSc ist Spezialistin für die Themen Auftreten und Wirkung, Bewältigung von Lampenfieber und anderen Ängsten und das Erreichen der persönlichen Höchstleistung. Sie arbeitet als selbständige Trainerin, systemischer und wingwave Coach und Lebens- und Sozialberaterin mit eigener Praxis in Wien. Ihr Knowhow bezieht sie aus ihren Erfahrungen als Schauspielerin und Sängerin, aus ihren profunden Ausbildungen und den vielen Kunden, die sie in ihren Seminaren und Einzelcoachings zum Erfolg begleitet hat.