Beim emotionalen Verarbeiten der Veränderungen, die mit struktur- und kulturverändernden Changeprojekten einhergehen, lassen sich sieben Phasen unterscheiden. Sie reichen von der Vorahnung „Es wird etwas geschehen“ bis zur Konsolidierung neuer Denk- und Verhaltensmuster.
Phase 1: Die Vorahnung.
In dieser Phase spüren die Betroffenen, dass sich eine Veränderung anbahnt, obgleich es noch keine offizielle Verlautbarung gibt. Unruhe macht sich breit. Gerüchte kursieren. In dieser Phase ist es wichtig, mit den Mitarbeitern im Gespräch zu bleiben und Spielregeln für den Umgang mit der Situation zu vereinbaren.
Phase 2: Der Schock.
Mit der Bekanntgabe des Veränderungsvorhabens wird die Notwendigkeit einer Veränderung definitiv: Hoffnungen und Befürchtungen sind auf einen Schlag präsent. Die Betroffenen fühlen sich wie gelähmt. Kaum jemand kann sich auf Zukunftsvisionen einlassen. Zuhören und Verständnis sind nun gefragt.
Phase 3: Die Abwehr.
Nach dem ersten Schreck folgt die Abwehr des Wandels – zum Beispiel, indem die Betroffenen die Notwendigkeit der Veränderung negieren. Hieraus kann kurzfristig sogar ein Produktivitätsanstieg resultieren – um den „Chefs“ zu beweisen, dass die Veränderungen überflüssig sind. Ärger kommt auf. Jeder meint zu wissen, was in dieser Situation richtig ist. Die Schuld für die Misere wird anderen zugeschrieben. Die Notwendigkeit, sich zu ändern, wird nicht akzeptiert – insbesondere dann, wenn die Veränderung auch eine neue Selbstdefinition erfordert. Nun ist oft eine Desillusionierung nötig, die klarmacht: Der Wandel ist unausweichlich.
Phase 4: Die rationale Akzeptanz.
Nach der erfolglosen Abwehr wird den Betroffenen allmählich klar: Es muss sich etwas ändern. Eine tiefgreifende emotionale Auseinandersetzung mit dem erforderlichen Wandel erfolgt jedoch noch nicht. Ansätze zur Problemlösung sind vornehmlich vom Wunsch nach einem raschen Ende der unangenehmen Situation getragen. Es wird an unbedeutenden Stellen etwas verändert, was jedoch nicht zum erwarteten Erfolg führt. Das erzeugt Frustration. Hier hilft es, eine persönliche Auseinandersetzung mit der Veränderung zu fördern und zu ermöglichen.
Phase 5: Die emotionale Akzeptanz.
Wenn allen klar wird „Es gibt keinen Weg zurück“, ist der emotionale Tiefpunkt erreicht: Das „Tal der Tränen“ wird durchschritten. Das Handlungsrepertoire ist ausgeschöpft. Die Betroffenen haben das Gefühl, alles versucht zu haben. Mit Trauergefühlen wird sich von Althergebrachtem verabschiedet. Mit dem Durchschreiten dieses Korridors erreicht die Systemleistung ihre verlustreichste Zone. Trotzdem muss der Trauer Raum gewährt werden (etwa in Workshops und Einzelgesprächen), denn sie ist eine Schwellenemotion bei jeder Neuorientierung. Erst danach kann sich die Energie auf das Neue richten.
Phase 6: Die Öffnung.
Nun ist der Weg frei für eine grundlegende Neuausrichtung der Selbst-, Team- und Unternehmensdefinition. Die Neugier auf einen erweiterten Erfahrungshorizont erwacht. Man klammert sich nicht mehr an Vergangenes. Es kommt noch zu Rückschlägen. Diese werden aber als Rückmeldung mit hohem Informationswert und Zugewinn an Erfahrung betrachtet. Lernprozesse werden dadurch stabilisiert und führen zu einem Produktivitätsniveau über dem Ausgangslevel. Geduld und Ermutigung des Lernprozesses sind nun hilfreich.
Phase 7: Die Integration.
Durch kontinuierliche Lernerfolge wird das Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsspektrum erweitert. Neue (Handlungs-)Perspektiven tun sich auf und stärken das Selbstvertrauen der Mitarbeiter. Die Systemleistung steigt deutlich über das Niveau vor dem Veränderungsprozess. Zudem werden die Muster des erfolgreichen Umgangs mit Veränderungen in Form einer Strategie generalisiert. Das heißt: Die Veränderungskompetenz der Organisation hat sich erhöht, weshalb sie künftige Changeprozesse schneller und effektiver meistert. Nun werden also die Früchte der gemeinsamen Anstrengung eingefahren.
Die sieben genannten Phasen lassen sich bei jedem Changeprojekt in mehr oder minder ausgeprägter Form konstatieren. Also können und sollten sie bereits beim Planen vom Changeprojekten berücksichtigt werden, und die Verantwortlichen in der Organisation sollten sich vorab überlegen, wie sie auf die jeweiligen „emotionalen Zustände“ der Mitarbeiter reagieren. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Organisation den Veränderungsprozess wie geplant durchläuft und die (betriebswirtschaftlichen) Ziele erreicht werden.
Lesen Sie in Teil 1: Change-Projekte erfolgreich managen
Zum Autor:
Dr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der international agierenden Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal, für die über 100 Berater, Trainer und Projektmanager arbeiten. Der diplomierte Wirtschaftsingenieur promovierte an der TH Karlsruhe zum Thema Projektmanagement. Er ist u.a. Autor des „Change Management Handbuch“ und zahlreicher Projektmanagement-Bücher. Seit 1994 ist er Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence und der technischen Universität Clausthal.