Oft führen Unternehmen vor dem Start transnationaler Projekte zumindest mit den Schlüsselpersonen Workshops durch, bei denen diese sich beschnuppern können – Workshops also, bei denen es primär darum geht, eine gemeinsame emotionale Basis für die Zusammenarbeit über große Entfernungen und Kulturgrenzen hinweg zu schaffen.
Solche Workshops kosten Zeit und Geld. Sie amortisieren sich aber schnell, da anschließend die Zusammenarbeit störungsfreier funktioniert – auch weil zum Beispiel die Deutschen bei den Spaniern und umgekehrt die Spanier bei den Deutschen Fürsprecher haben. Und treten trotzdem mal Irritationen auf? Dann ist der Griff zum Telefonhörer leichter, um zum Kollegen am anderen Ende zu sagen: „Jorge, …“ oder „Georg, ich glaube, wir sollten mal darüber reden, …“. Risiken, aus denen Probleme werden könnten, werden also schneller thematisiert. Und bereits vorhandene Probleme? Sie werden nicht so lange unter den Teppich gekehrt, bis aus ihnen echte Krisen werden, um sich anschließend in wechselseitigen Schuldzuweisungen zu ergehen.
Solche Workshops bedürfen wie alle Teamentwicklungsmaßnahmen einer sorgfältigen Planung, denn das Sich-Kennen- und Verstehen-Lernen ist nicht zweckfrei. Die Teilnehmer sollen vielmehr anschließend besser kooperieren. Entsprechend wichtig ist es mit ihnen zu Beginn die Erwartungen zu klären. Leitfragen hierfür können sein:
- Dieser Workshop hätte aus meiner Warte am Ende viel gebracht, wenn …
- Am Wichtigsten ist mir, dass …
Den Kennlern-Prozess moderieren
Sind die Erwartungen geklärt, wird in solchen Workshops meist über folgende Themenkomplexe gesprochen:
- Welche Merkmale kennzeichnen die (Business-)Kultur der Länder, aus denen die Teilnehmer kommen? Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede gibt es?
- Welche Merkmale kennzeichnen die (Teil-)Organisationen, für die die Teilnehmer arbeiten? Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede gibt es?
- Was macht die Teilnehmer als Personen aus? Welche Vorlieben usw. haben sie?
- Welche Regeln sollen für die Zusammenarbeit gelten?
Über diese Themen sollte kein Dozent referieren. Vielmehr sollten die Teilnehmer hierüber miteinander sprechen, damit das Eis zwischen ihnen bricht. Denn das zentrale Ziel solcher Workshops ist: Die Teilnehmer sollen sich am Schluss als Personen wechselseitig wertschätzen. Denn bei der späteren Zusammenarbeit entstehen werden immer wieder Irritationen. Das ist bei jedem Projekt der Fall. Der einzige Unterschied bei transnationalen Projekten: Die möglichen Ursachen sind vielfältiger. Und: Die Teilnehmer haben, wenn etwas schief geht, schnell eine Entschuldigung parat. „Das liegt an den Amerikanern…“, „… den Spaniern…“, „… den Deutschen, denn die …“.
Den Anderen respektieren, wie er ist
Deshalb sollte mit den Teilnehmern auch erarbeitet werden, dass wechselseitiger Respekt und die Bereitschaft, sich zu verstehen und zu kooperieren, die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind. In welchem Verhalten sich Respekt zeigt, ist von Kultur zu Kultur verschieden. Folglich sollten in den Workshops auch Fragen erörtert werden wie:
- In welchen Situationen habe ich mich (nicht) respektiert gefühlt?
- Wie erweist man in meinem Land anderen Personen seinen Respekt?
- Welche Unterschiede gibt es zwischen unseren Ländern?
- Wie sollte eine Person sich verhalten, damit sie in unserem Unternehmen respektiert wird?
Aus den Antworten können Regeln für den Umgang miteinander abgeleitet werden. Eine Regel sollte sein: Wenn jemand einen Regelverstoß begeht, dann ziehe ich mich nicht schmollend zurück. Dann frage ich vielmehr die Person, warum sie sich so verhalten hat. Denn die meisten Regelverletzungen erfolgen aufgrund von Missverständnissen. Oder weil der betreffenden Person Infos fehlten. Oder weil sie in Stress war. Oder weil … Entsprechend leicht lassen sich die hieraus resultierenden Irritationen meist auflösen, wenn man miteinander spricht – ohne den anderen sogleich anzuklagen.
Über die Autorin:
Sabine Machwürth ist geschäftsführende Gesellschafterin der international agierenden Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede (D), für die weltweit 450 Berater, Trainer und Projektmanager tätig sind.