Aus Fehlern wird man klug …

Aus Fehlern wird man klug
Lesedauer: 3 Minuten

„Aus Fehlern wird man klug, deshalb ist einer nie genug …“

Aus Kindertagen kennt wohl jeder diesen Spruch – meist aufmunternd von den Eltern ausgesprochen. Dabei hängt Fehlern oft – gerade im unternehmerischen Zusammenhang – ein negativ behaftetes Bild an. Warum eigentlich? Und warum schaffen wir es nach wie vor nicht, mit Fehlern im Unternehmen gut umzugehen? Denn Fakt ist auch: In den meisten Organisationen sind Fehler ein Tabuthema und werden nur allzu gerne totgeschwiegen.

Fehler als Freund des unternehmerischen Wandels

Zäumen wir das Fehlerpferd einmal von hinten auf, ergeben sich durch Fehler oft unschätzbar tolle Gelegenheiten. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Keinesfalls soll es darum gehen, Fehler bewusst oder gar ressourcenverschwendend herbeizuführen. Nein, es geht vielmehr darum, den Fehler als Freund des unternehmerischen Wandels zu verstehen. Letztlich sind es oft die Fehler, die uns zu „Experimenten“ einladen und so den Innovationsgeist nachhaltig fördern. „Etwaige Risiken mit Bedacht eingehen“ könnte demnach das Motto für eine nachhaltige Fehlerkultur lauten. Doch wo liegt die Krux, dass Unternehmen den Fehler nach wie vor eher tabuisieren?

Abweichungen vom vermeintlichen Idealkurs

Es ist offensichtlich nicht (ganz so) einfach eine gute Fehlerkultur aufzubauen. Zu etabliert und seit Kindheitstagen gelernt sind dazu die Gewohnheiten, die jeder Einzelne mit Fehlern verbindet: Fehler sind mit Konsequenzen verbunden. Wer es gut macht, bekommt ein Eis, der andere muss nachsitzen … Und längst ist nicht Fehler gleich Fehler: Stellen wir uns vor, es würden 99,9 Prozent der Flüge jeden Tag gut verlaufen und „nur“ 0,1 Prozent abstürzen – eine blanke Katastrophe. Glücklicherweise sind die meisten Organisationen keine Fluggesellschaften und nicht jede Abweichung vom vorher erdachten Idealkurs führt zu dramatischen Konsequenzen. Trotzdem entspringt der natürliche Wunsch, alles zu tun, um Fehler zu vermeiden, genau dieser Denkhaltung. Fehlervermeidung ist dabei ja durchaus ein legitimer Handlungsgrundsatz, wenn er nicht zum über alles bestimmenden Moment mutiert.

Vorschriften und Handbücher als Hemmnis

Handbücher, Prozessvorschriften und Dienstanweisungen sind ein typisches Phänomen der Qualitätsmanagement-Ära. Passieren Fehler, ist die erste, oberflächlich und konsequenterweise logische Folge, dass ebendiese aktualisiert, erweitert oder umgeschrieben werden. Die Krux: Interne Handbücher und Anweisungen sind kaum mehr aktuell zu halten und werden – entgegen ihrer eigentlichen Zielsetzung – irrelevant. Sie verlieren ihren praktikablen Nutzen, weil schlicht niemand mehr die nötige Zeit hat, sie zu lesen.  Warum werden also überhaupt täglich neue Anweisungen formuliert, wenn sie nicht dabei helfen, die Arbeit abzuwickeln? Vermutlich, weil es sich zumindest gut anfühlt, wenn man schriftlich festgehalten hat, wie die Dinge abzuarbeiten sind. Oder?

Weiterentwicklung statt Fingerzeig üben

Wir fordern Y-Mitarbeiter, pflegen aber einen X-Führungsstil. Logischerweise kann das aber niemals zusammengehen – allein vor dem regulatorischen Damoklesschwert ist es jedoch verständlich. Was brauchen wir also in Unternehmen, um eine gesunde, weil voranbringende, Fehlerkultur zu etablieren und zu leben? Was Organisationen nicht brauchen, ist eine scheinbar instinktive Suche nach „Schuldigen“. Das lenkt die Energie in eine vollkommen falsche Richtung. Statt mit dem erhobenen Zeigefinger zu deuteln, gilt es, seine Kräfte zu bündeln, um eine adäquate Lösung zu finden und/oder als Organisation zu lernen, sich weiterzuentwickeln. Wird nur gemauert, Fehler unter den Teppich gekehrt oder oberlehrerhaft mit dem Finger gezeigt, werden Mitarbeiter zukünftig alles unternehmen, um eigene Fehler zu vertuschen. Sie berauben damit die Organisation ihrer Lernchancen und ihrer Weiterentwicklung.

Innovation schreit nach Fehlern

„Wer noch nie einen Fehler gemacht hat, hat sich noch nie an etwas Neuem versucht.“

(Albert Einstein, dt. Physiker, 1879-1955)

Unternehmen benötigen eine gesunde Kultur im Umgang mit Fehlern, um individuelles Wachstum und internen Wandel den nötigen Nährboden zu geben. Innovation schreit geradezu nach Fehlern, danach, nicht das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Wichtig ist, was wir daraus machen: Wenn wir daraus lernen und bewusst (kalkulier- und handhabbare) Risiken eingehen, können Unternehmen durch Fehler wachsen. Der zwingend notwendige Aufbau einer Fehlerkultur benötigt daher vor allem eine sehr bewusste und achtsame Arbeit der Führungsmannschaft sowie ein ebenso kritisches Hinterfragen der eigenen Systeme und Routinen.

Selbstreflexion und ehrlicher Dialog

Wichtige Voraussetzung für eine lebendige ebenso wie belebende Fehlerkultur sind Angstfreiheit und das vollständige Vertrauen in die zwischenmenschliche Beziehung. Soll eine funktionierende Fehlerkultur etabliert werden, stehen Wertschätzung für den Einzelnen und Interesse am Menschen ganz oben auf der Führungs-Agenda. Wie, wann und an wen gebe ich positives Feedback oder Anerkennung? Und wie gehe ich selbst mit meinen Emotionen bei Fehlern um? Denn der kleinste emotionale Lufthauch entfacht förmlich einen Orkan für viele Mitarbeiter. Genauso wenig hilft im Gegenzug aber die rosarote Brille: Wenn Fehler passieren, müssen diese auch klar, transparent und wertfrei beim Namen genannt sowie offen adressiert werden (dürfen). Ein ehrlicher Austausch auf Augenhöhe, ein durch Respekt gepflegter Dialog also, der das förderliche Miteinander stärkt. Selbstreflexion und ein ehrlicher Dialog sind hier die Mittel der Wahl, fernab durchstrukturierter, abgehobener Managementprogramme oder -maßnahmen.

Sehen Führungskräfte den bloßen Fehler und zerlegen diesen womöglich in alle Details oder gelingt es, die Stärken der Mitarbeiter zu fokussieren? „Nicht geschimpft ist gelobt genug“ oder ähnliche vermeintliche Binsenweisheiten fördern weder das Wachstum des Einzelnen noch das der Organisation. Menschen im Wandel zu begleiten, sie zu stärken und bestärken und eben auch aus Fehlern profitieren lernen, heißt Wandel erfolgreich voranzutreiben. Und ist damit wohl die wichtigste Managementaufgabe in disruptiven Zeiten.

Autor:

Dr. Christian Rauscher, GF emotion banking und Partner der Initiative Wertvolle Unternehmenskultur

Über die Initiative Wertvolle Unternehmenskultur (I.W.U.):

Die I.W.U. hat sich die Stärkung von Unternehmenskultur in der Gesellschaft zur Aufgabe gemacht. Die Initiatoren schöpfen aus langjähriger beruflicher Praxis und wissenschaftlicher Expertise rund um das Thema Unternehmenskultur. Sie fordern und fördern den offenen und ehrlichen Austausch über Werte und Kultur als immaterielle Basis materiellen Erfolges. Die Initiative und die damit verbundene Analytik ersetzt Spekulationen durch greifbare Fakten. Und macht den Blick frei für das Wesentliche: „Wirtschaft schafft Kultur“.

 
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