Fragetechniken für Führungskräfte: Gut gefragt, ist fast gelöst

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Lesedauer: 5 Minuten

„Unsere Führungskräfte sollen ihre Mitarbeiter coachen.“ Diese Anforderung stellen Unternehmen zunehmend an ihre Führungskräfte. Also sollten sie die relevanten Coachingtools kennen – zum Beispiel die verschiedenen Fragetypen, um Mitarbeiter beim eigenständigen Finden von Problemlösungen zu unterstützen.

Führungskräfte können nicht zugleich die Coachs ihrer Mitarbeiter sein. Denn als Führungskräfte sind sie auch deren disziplinarische Vorgesetzte. Das heißt: Sie entscheiden mit über das berufliche Fortkommen ihrer Mitarbeiter. Und wenn diese nicht die geforderte Leistung bringen? Dann müssen sie diese im Extremfall sogar sanktionieren.

In der Beziehung Führungskraft-Mitarbeiter besteht also stets ein Machtgefälle. Deshalb ist das Verhalten von Mitarbeitern gegenüber ihren Führungskräften in der Regel auch von taktischen Erwägungen beeinflusst. Zu Recht! Denn es wäre geradezu blauäugig von ihnen, sich einer Führungskraft ebenso wie im Idealfall einem Coach zu offenbaren. Denn hiermit würden sie negieren, dass ihre Führungskraft zugleich ihr Vorgesetzter ist gegenüber dem auch stets eine gewisse Abhängigkeit besteht.

Dessen ungeachtet geraten Führungskräfte immer häufiger in Situationen, in denen sie im Kontakt mit ihren Mitarbeitern ähnlich wie ein Coach agieren müssen. Denn je netzwerkartiger die Strukturen in den Unternehmen sind, umso häufiger müssen Mitarbeiter eigenständig und weitgehend eigenverantwortlich Probleme beziehungsweise komplexe Aufgaben lösen. Und ihre Führungskräfte? Sie müssen ihre Mitarbeiter, ähnlich wie ein Coach, beim Entwickeln der hierfür erforderlichen Kompetenzen unterstützen. Zudem müssen sie ihren Mitarbeitern im Arbeitsalltag als Unterstützer zur Seite stehen und ihnen bei scheinbar unüberwindbaren Hindernissen zum Beispiel durch Fragen

  • neue Perspektiven auf das „Problem“ eröffnen und
  • sie auf einen gangbaren sowie für alle Beteiligten befriedigenden Lösungsweg führen.

Zum Erreichen dieses Ziels können Führungskräfte mehrere Kategorien von Fragen nutzen:

  • problemorientierte,
  • ressourcenorientierte und
  • zielorientierte Fragen.

Ihren professionellen Einsatz sollten Führungskräfte, die als Coach agieren, beherrschen, denn es macht einen qualitativen Unterschied, ob sie ihre Mitarbeiter fragen:

  • „Wieso klappt das nicht?“ (problemorientiert) oder
  • „Wann hat die Sache schon einmal geklappt? Was war damals anders?“ (ressourcenorientiert) oder
  • „Was möchten Sie erreichen? Wie könnte eine Lösung aussehen?“ (zielorientiert)

Problemorientierte Fragen

Diese Fragen-Kategorie können Führungskräfte nutzen, um die Ist-Situation genauer zu erkunden. Problemorientierte Fragen liefern oft nur der Führungskraft neue Einsichten. Denn der Mitarbeiter ist der eigentliche „Experte“  für sein Problem, und er kennt alle Details. Beispiele für problemorientiere Fragen sind:

  • „Seit wann besteht das Problem?“
  • „Wer ist am Problem und dessen Entstehung beteiligt?“
  • „Wie geht es Ihnen in der aktuellen Situation?“

Auch die Frage „Was haben Sie schon unternommen?“ zählt zu dieser Rubrik. Denn die Antwort auf diese Frage beinhaltet alle bereits gescheiterten Versuche. Wäre das Problem gelöst, säße der Mitarbeiter der Führungskraft nicht gegenüber. Zusammengefasst beinhaltet diese Fragenkategorie alle Fragen rund um die Thematik des Problems.

Problemorientierte Fragen sollten Führungskräfte sparsam einsetzen. Denn sie können zu einer Problem-Trance des Mitarbeiters führen, aus der er sich nur schwer lösen kann. Denn die Führungskraft aktiviert hiermit beim Mitarbeiter vor allem Gedanken und (Hilflosigkeits-)Gefühle rund um die negativ erlebte Situation. Das erschwert das Finden neuer Lösungsansätze. Denn wer ein Problem lösen möchte, muss einen anderen geistigen Raum betreten.

Wichtig: Problemorientierte Fragen …

  • verschaffen einen Überblick über die Situation und
  • sollten von Führungskräften mit Maß und Ziel eingesetzt werden, um eine „Problem-Trance“ zu vermeiden.

Ressourcenorientierte Fragen

Diese Kategorie Fragen lenkt den Blick auf die Stärken von Menschen und die Dinge, die beim Bewältigen der Herausforderung hilfreich sein könnten. Beispiele für ressourcenorientierte Fragen sind

  • „Was oder wer könnte Ihnen in dieser Angelegenheit behilflich sein?“,
  • „Was könnten Sie tun, damit das Problem besser wird?“

Auch Fragen nach Ausnahmen zählen zu dieser Rubrik, etwa: „Beschreiben Sie eine Situation, in der das Problem nicht auftrat und was in ihr anders war?“ Oder: „…was Sie in ihr anders gemacht haben?“ Hilfreich beim Suchen von Ressourcen für eine Lösung können auch Fragen sein wie: „Was unternahmen Sie bisher, damit das Problem nicht größer wurde?“

Ressourcenorientierte Fragen sollten Führungskräfte insbesondere dann nutzen, wenn sie die Kompetenz von Mitarbeitern, „Probleme“ eigenständig zu analysieren und Problemlösungen für sie zu entwerfen, fördern möchten. Dann können sie ihre Mitarbeiter mit diesem Fragentyp dazu stimulieren, zunächst selbst intensiv und aktiv nach einer möglichen Lösung des Problems zu suchen – bevor die Führungskraft eventuell ihre eigenen Lösungsideen in das Gespräch einfließen lässt.

Wichtig: Ressourcenorientierte Fragen …

  • setzen den Fokus auf hilfreiche Menschen, Umstände oder Dinge und
  • können auch Fragen nach Ausnahmen vom Problem sein
  • zielen darauf ab, die Kompetenz des „Coachees“/Mitarbeiters zum eigenständigen Analysieren und Lösen von Problemen zu fördern.

Zielorientierte Fragen

Diese Fragenkategorie lenkt die Aufmerksamkeit auf die gewünschte Zukunft. Hierzu zählen die klassischen Zielfragen wie:

  • „Was genau wollen Sie erreichen?“,
  • „Wie sollte eine Lösung aussehen?“ oder
  • „Bis wann wollen Sie Ihr Ziel erreichen?“

Führungskräfte, die als Coachs agieren, nutzen bei ihrer Arbeit auch häufig folgende Fragen:

  • „Woran erkennen Sie, dass Sie das Ziel erreicht haben?“,
  •  „Was wird sich durch das Erreichen des Ziels verändern?“ (zum Beispiel in dem Projekt? Oder bei unserem Umgang mit Kunden?)

Solche Fragen bewirken, dass der Mitarbeiter vor seinem inneren Auge sieht, wie die Zukunft aussehen könnte. Er kann die Erfolgssituation erfühlen. Damit erkennt er auch die Perspektiven, die sich ihm beziehungsweise dem Unternehmen hierdurch eröffnen. Zugleich werden vorhandene Ressourcen und mögliche Hindernisse erkannt.

Auch das Wort „stattdessen“ bewirkt häufig einen Wechsel der Denkrichtung – vom Problem zum Ziel. Mitarbeiter wissen oft genau, was nicht geht. Aber was sie „stattdessen“ tun könnten, ist ihnen unklar. Die Frage „Was könnten Sie stattdessen tun?“ oder „Wie könnten Sie das Ziel stattdessen erreichen?“ löst oft einen schwierigen Denk- und Entscheidungsprozess, der zu neuen, alternativen Lösungswegen führt.

Wichtig: Zielorientierte Fragen …

  • sind zukunftsorientiert,
  • beschreiben den erwünschten Zustand,
  • decken die Folgen für den Mitarbeiter und für sein Umfeld auf und
  • ermöglichen es, Hindernisse aufzuspüren.

Neben den bisher beschriebenen Fragenkategorien gibt es mehrere Fragetypen, die es wert sind, sie zu kennen. Jeden von ihnen kann man aus einer der vorgenannten Blickrichtungen stellen – also problem-, ressourcen- und zielorientiert.

Skalierungsfragen

Skalierungsfragen sind ein Instrument, um Empfindungen und Gefühle wie Erfolg oder Misserfolg, Freude oder Frustration zu bewerten. Nicht nur die Führungskraft kann sich hiermit ein Bild über die Stärke des Empfindens des Mitarbeiters machen, auch der Mitarbeiter selbst bekommt hierdurch einen anderen Blick auf seine Lage.

Oft nutzen als Coach agierende Führungskräfte zum Beispiel in Zielvereinbarungsgesprächen oder Konfliktmoderationen eine Skala von 0 bis 10. Dabei stellt die Null die minimale und die Zehn die maximale Ausprägung eines Gefühls dar. Soll zum Beispiel die Zufriedenheit mit dem derzeitigen Verlauf eines Projekts eingeschätzt werden, bedeutet der Wert 0 „absolut unzufrieden“, und der Wert 10 „absolut zufrieden“. Und mit Hilfe der Skalierungsfrage „Wie würden Sie auf einer Skala von 0 bis 10 Ihre aktuelle Zufriedenheit mit dem Projektverlauf einschätzen?“ kann der Mitarbeiter eine entsprechende Einschätzung vornehmen.

Mit Skalierungsfragen können auch Veränderungen und Erfolgswahrscheinlichkeiten erfasst werden; zudem können sie zum Planen der nächsten Schritt genutzt werden Beispiele für solche Fragen sind:

  • „Auf einer Skala von 0 bis 10 ausgedrückt, wie hat sich das Klima im Projektteam seit unserem letzten Treffen verändert?“ (Veränderung)
  • „Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass sich das Arbeitsklima durch die neue Aufgabenverteilung von 4 auf 6 verbessert?“ (Erfolgswahrscheinlichkeit). Oder:
  • „Wenn Sie heute die Kooperation im Team bei 4 einstufen, was müsste geschehen, um auf 6 zu kommen?“ (Maßnahmenplanung)

Führungskräfte sollten bei der Arbeit mit Skalierungsfragen immer die kleinen Unterschiede beachten. Es geht um kleine, umsetzbare Schritte, die motivierend wirken.

Wichtig: Skalierungsfragen …

  • eignen sich, um Wahrnehmungen, Gefühle und Einschätzungen „messbar“ zu machen und
  • machen (kleine) Veränderungen sichtbar.

Dissoziierende Fragen

Dissoziieren heißt, vom Problem Abstand nehmen – also dieses zum Beispiel aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dissoziierende Fragen sind zum Beispiel:

  • „Was meint Ihr Kollege in der Fachabteilung ….‘  zu Ihrem Problem?“ Und:
  • „Was würde Ihnen Ihr Kunde ‚…..‘ in dieser Situation raten?“

Wenn Mitarbeiter aus einer Außenperspektive auf ihr Problem blicken, sehen sie oft neue Aspekte und entdecken sie alternative Lösungsansätze. Denn die neuen Informationen bringen neue Sichtweisen hervor und setzen wertvolle Denkprozesse in Gang.

Mitarbeiter wissen oft nicht, wie viel sie wissen. Dissoziierende Fragen sind eine Methode, um das verborgene Wissen anzuzapfen und versteckte Ressourcen zu entdecken. Die Führungskraft kann auch fragen: „Wenn Sie an meiner Stelle wären, welche Fragen würde Sie dann stellen?

Wichtig: Dissoziierende Fragen …

  • schaffen durch die „Vogelperspektive“ eine Übersicht,
  • ermöglichen ein Loslösen des Problems,
  • bringen neue Denkprozesse in Gang und
  • fördern unbewusstes Wissen zu Tage.

Hypothetische Fragen

Wenn es im Gespräch mit dem Mitarbeiter zu einem Stillstand kommt und dieser keine Lösungsmöglichkeiten sieht, können auch hypothetische Fragen helfen. Zum Beispiel: „Angenommen das Problem wäre gelöst, was hätten Sie dann wahrscheinlich getan?“ „…, wie würden sich Ihre Kollegen dann verhalten?“ „…, was wäre dann anders?“

Hypothetische Fragen bieten dem Mitarbeiter ein Lösungsszenario an, das er, indem er es beschreibt, erlebt. So zum Beispiel bei der Frage: „Angenommen das Projekt verliefe ideal? Woran würden Sie das merken? Wie sähe dann die Zusammenarbeit im Team aus? Wie wäre die Beziehung zu Ihren internen Kunden? Welche Ergebnisse hätten Sie dann schon erreicht?“

Aus den Antworten können Schritte zum Erreichen des Ziels abgeleitet werden. Hypothetische Fragen haben den positiven Effekt, dass der Mitarbeiter diese Schritte ausprobiert und testet, ob sie für ihn überhaupt erstrebenswert und durchführbar sind.

Wichtig: Hypothetische Fragen …

  • erlauben, sich wünschenswerte Situationen oder Lösungen vorzustellen,
  • ermöglichen es, die Machbarkeit von Lösungen zu reflektieren, und
  • erleichtern das Probehandeln eines gewünschten Verhaltens.

Paradoxe Fragen

„Paradox“ bedeutet widersprüchlich. Paradoxe Fragen sind provokative Fragen, die auf ein Verstärken des Problems abzielen. „Was müssten Sie tun, um das Projekt endgültig an die Wand zu fahren?“, „…, dass der Vorstand Sie von Ihrem Job entbindet?“ Diese Fragetechnik eignet sich besonders bei Mitarbeitern, die in ihren Problemen sehr gefangen sind. Paradoxe Fragen wie zum Beispiel „Wie könnten Sie erreichen, dass Sie einen Burn-out erleiden?“ reizen den Mitarbeiter und lösen dadurch oft erhellende Reaktionen aus.

Zuweilen empfiehlt es sich, paradoxe Fragen anzukündigen, damit der Mitarbeiter sich darauf einlässt – zum Beispiel mit folgenden Worten: „Mir fällt gerade eine Frage ein, die Ihnen vielleicht verrückt erscheint“. Und danach stellen Sie die Frage – zum Beispiel: „Was müsste ich als Führungskraft tun, damit Sie künftig nicht mehr meine Unterstützung brauchen?“

Wichtig: Paradoxe Fragen …

  • arbeiten widersprüchlich, indem sie das Problemverhalten verstärken,
  • erschüttern festgefahrene Sichtweisen,
  • provozieren beim Mitarbeiter eine Gegenreaktion und
  • stärken das Selbstbewusstsein des Mitarbeiters.

Die genannten Fragekategorien und -typen sind ein Basiswerkzeug im „Werkzeugkoffer“ jeder als Coach ihrer Mitarbeiter agierenden Führungskraft. Also sollte jede Führungskraft ihren gezielten Einsatz beherrschen. Dies gilt es diesen zu trainieren – zum Beispiel in Coaching oder speziellen Führungskräfte-Seminaren.

 
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1 KOMMENTAR

  1. Es ist immer wieder schön zu sehen, dass Coaching-Handwerkszeug auch im Führungskontext hervorragende Dienste leisten kann, auch unter Berücksichtigung der Hierarchien.

     

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