Ein Gefühl spielt in Verhandlungen eine sehr große Rolle: Die Verlustangst! Diese Emotion setzt sich aus vergangenen Erinnerungen an Verluste und der damit verbundenen Angst. Jeder kennt sie aus der eigenen Erfahrung der Angst vor Versagen. Es ist genau diese Angst, die in der Schule schweissnasse Hände und Lampenfieber vor dem Referat erzeugt. Sie lässt einen fürchten etwas Falsches zu sagen, sich zu blamieren, dumm zu wirken oder schlecht informiert zu sein, zu stottern oder zu schwitzen. Dahinter steht meistens die Angst etwas zu verlieren wie Geld, Liebe, den Job, Geld, Anerkennung, Zuwendung oder Zugehörigkeit. Eben der Verlust der Bedürfnisbefriedigung.
Auch in der Verhandlung kommen Verlustängste auf. Diesen Deal nicht zu bekommen und damit vor dem Chef nicht gut dazustehen. Oder Sie sind schon unter Druck, da Sie den Umsatz unbedingt brauchen. Oder einfach die Angst sein Gesicht zu verlieren, nicht kompetent genug zu wirken und eben zu verlieren. Dabei geht es noch nicht einmal um den Deal in der Verhandlung, sondern eben um persönliche Verluste, die ausschließlich mit der eigenen Person zu tun haben und mit deren Gedanken die die Handlungen beeinflussen.
Wut in der Verhandlung als Emotion
Unterdrückte Wut wird häufig in Zynismus ausgedrückt. Wut kommt – im Gegensatz zu der Verlustangst – plötzlich, es überkommt einen manchmal einfach. Das macht es umso schwerer, diese im Griff zu behalten und sie zu unterdrücken, wie das Harvard Verhandlungsmodell es erklärt.
Zudem hat Wut eine ungeheure macht, gerade wenn sie unterdrückt wird und somit manchmal gar nicht mehr kontrollierbar wird. Reflektieren Sie Ihre Wut und fragen Sie sich „Was macht mich wütend?“ Ähnelt Ihre Verhandlungssituation irgendeiner früheren negativ erlebten Situation und kommt die Wut daher? Durch die Erinnerung an diese frühere Situation wird die Wut getriggert – also wieder erinnert. Wenn das bewusst wird, löst sich die Wut häufig von selbst auf. Es hilft auch einfach seine Position im Stehen oder Sitzen zu verändern, dadurch fließen die Gedanken anders und Sie können die Situation leichter aus mehr Distanz betrachten.
Die häufigsten Ursachen für Wut in Verhandlungen ist, dass eigene Werte und Bedürfnisse vom Verhandlungspartner verletzt werden. Wut hat eine Art Mitteilungsbedürfnis und will Ihrem Verursacher wissen lassen, dass er zu weit gegangen ist. Teilen Sie das doch Ihrem Verhandlungspartner mit! In einer klaren Ich-Botschaft und schon verändern Sie den Machtpegel wieder zu Ihren Gunsten.
Wer Wut in respektvoller Weise dem Verhandlungspartner formuliert wird bei seinem Verhandlungspartner meist auf ein offenes Ohr stoßen. An sich ist der Mensch ein kooperatives Wesen. Wer seine Wut mitteilt, gibt Persönliches preis und zeigt damit, dass er die Beziehung zum Verhandlungspartner für belastbar hält. Sie ist somit ein Vertrauensbeweis, der das Vertrauen in der Verhandlung mit einem Mal erhöhen kann. Häufig werden dadurch auch die Verhandlungsspiele beendet und ein konstruktiver Dialog wird möglich.
Emotionsunterdrückung kostet Aufmerksamkeit
Verhandlungstrainer wenden in ihren Verhandlungsseminaren Techniken an um diese Verlustangst mit ihren verschiedenen Ausprägungen zu unterdrücken zu lernen. Das Problem daran ist, dass die Unterdrückung sehr viel Aufmerksamkeit und Kraft erfordert. Ist man einen kleinen Moment unaufmerksam so kommt dieses Gefühl im Handeln wieder zum Vorschein gegenüber dem Verhandlungspartner. Menschen können über Ihre Intuition und Ihrer Wahrnehmung sehen, ob man ein Gefühl unterdrückt oder ob man authentisch ist. Jeder von uns kennt das, wenn der Bauch und die Intuition sagt „Da stimmt etwas nicht überein!“
Wenn Sie also versuchen in Verhandlungen Gefühle und Emotionen gegenüber Ihrem Verhandlungspartner zu unterdrücken, so sind Sie laufend mit einem Teil Ihrer Aufmerksamkeit wo anders und nicht 100% beim Thema der Verhandlung und den Verhandlungspartnern. Somit ist es natürlich schwerer, die Position der Verhandlungspartner zu verstehen, entsprechend der Situation zu agieren und die eigene Strategie weiterzuführen. Dafür braucht es die Aufmerksamkeit und einen klaren Kopf.
Wenn Sie nicht ganz im Hier und Jetzt mit Ihrer Aufmerksamkeit sind, wirken sie auch weniger und haben damit weniger Charisma und Überzeugungskraft.
In der Praxis bedeutet die Unterdrückung von Gefühlen nun einmal eine Blockade im Gehirn. Eine effektive und leicht erlernbare Technik, diesen Stress anzunehmen, ist die gedankliche Personifizierung der Angst. Dazu stellt man sich die Angst als eine Person vor, schaut sie an und fragt sie, was sie einem sagen will. Probieren Sie es einmal aus – die Angst sagt es Ihnen!
- Anerkennungsverlust
- Gesichtsverlust
Angst akzeptieren in Verhandlungen
Akzeptieren Sie Ihre Angst als natürliche Emotion und integrieren Sie sie. Auf diese Weise können Sie auch vermeiden, dass die Angst sich so sehr verankert, dass sie bleibende Muster in der eigenen Gefühlswelt kreiert, die einen in einem automatischen Handlungsmodus führen.
Dieser Weg wird in der Verhandlungspraxis kaum gewählt. Es liegt wohl in erster Linie daran, dass das Thema Gefühle in der Geschäftswelt immer noch weitgehend tabuisiert wird. Gerade Angst oder Wut hat keinen guten Ruf, da sie mit Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein oder eben Aggression assoziiert wird. Und damit als unprofessionelles Verhalten eingestuft wird.
Allerdings bewirkt Angst und Aggression eher das Gegenteil. Der Kreislauf wird angekurbelt, die Körpertemperatur steigt und Sie sind in einem höheren Erregungslevel um auf eine mögliche Gefahr besser zu reagieren. Angst und Aggression macht somit wacher, aufmerksamer und schneller, solange sie nicht überhand nimmt.
Bis zu einem gewissen Punkt ist Angst somit in Verhandlungen durchaus angemessen und wirksam. Das ist wie beim Bühnenauftritt – ohne Lampenfieber ist man nicht voll am Punkt. Das funktioniert bis zu dem Punkt wo die Angst umkippt in dramatische und überzogene Szenarien. Dann wird die stimulierende Wirkung von Angst umgedreht in eine blockierende Wirkung.
Freude steigert die Aktions- und Kooperationsbereitschaft beim Verhandeln
Genauso wie bei einem ausgetragenen Konflikt so wird auch bei Freude das Hormon Oxytocin ausgeschüttet. Oxytocin sorgt für emotionale Nähe und Zugewandtheit. Dieses Hormon bildet neben den Glückshormonen einen idealen Mix fürs Verhandeln.
Endorphine steigern die Aktions- und Kooperationsbereitschaft. Wer Freude empfindet ist entscheidungsbereiter und wird instinktiv intensiver auf eine Entscheidung hinarbeiten.
Vielen Verhandlungsexperten ist diese Freude allerdings suspekt. Sie fürchten man könnte im freudigen Gefühl zu schnell zu viele Zugeständnisse machen, weshalb die klassischer Lehre eher zu Nüchternheit rät. Normale gute Laune wird sicher nicht zu blindem Aktionismus in Verhandlungen verführen. Vor allem dann nicht, wenn die Vorbereitung in der Verhandlung mit der Strategie, den Interessen, dem Forderungskatalog bzw. dem Point of no Return und den Zielen genau definiert sind. Und zwar vor der Verhandlung.
Ziele visualisieren vor der Verhandlung
Sinnvoll ist es seine Ziele in der Vorbereitung vor der Verhandlung zu visualisieren. Malen Sie sich diese Ziele im Kopf aus. Denken Sie wie es wäre, wenn Ihre Ziele in der Verhandlung durchgesetzt werden und gleichzeitig auch das bestmögliche Ergebnis erzielt wird. Um so mehr Sie sich diese Ziele im Kopf verankern, umso wahrscheinlicher werden Sie diese Ziele auch erreichen. Auf diese Weise wird die Verhandlung vorher schon emotional positiv aufgeladen und sorgt somit durch die positiven Emotionen zu mehr Kooperationsbereitschaft in Verhandlungen. Und Emotionen sind ansteckend, besonders bei einer so intensiven Interaktion wie einer Verhandlung.
Menschen können nur schwer auf eine intellektuelle Ebene umschalten, wenn ihre Gefühle vorher nicht klar erfasst und benannt werden. Durch das Anerkennen von Gefühlen entsteht intuitiv Sicherheit und Verbindung, was zu Stressverminderung und steigender Aufmerksamkeit führt. Bei diesem Prozess ist die Unterscheidung zwischen echten Gefühlen und Sekundärgefühlen wegweisend. Das reine zeigen der Sekundärgefühle führt auf geradem Weg in die Verstrickung, das Benennen von echten Gefühlen zu wachsendem Verständnis, Kooperation und Respekt.
Verhandlungen erfordern mehr als eine rein sachliche Auseinandersetzung und einen Willen zur Kooperation. Damit sie wirklich ergebnisorientiert geführt werden können, müssen Emotionen, also die Gefühle die den Menschen in seinem Wesen ausmachen, integriert werden. Daher gilt für erfolgreiches Verhandeln: Wer nicht verlieren will muss fühlen über Emotion!
Mehr zu Teil 1: Wer beim Verhandeln nicht verlieren will muss fühlen
Über die Autorin:
Ulrike Knauer ist Speaker, Trainerin, Coach und Autorin und gilt als Expertin für das Thema „Wahres Interesse verkauft mehr“. Kunden wollen am liebsten selber kaufen, als etwas verkauft bekommen. Entwickelt hat sie diese Methode, weil sie sich geärgert hat, wie Verkäufer den Kunden niederreden, kaum zuhören und dann versuchen möglichst schnell den Abschluss zu bekommen. Ulrike Knauer kommt aus der Praxis mit über 30 Jahren Erfahrung im internationaler Marktaufbau und Vertrieb.
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