Viel mehr als Geld

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Wer gute und leistungsorientierte Mitarbeiter sucht, muss mehr bieten als Geld und Fringe Benefits. Firmen, die ihre Talente fördern und Entwicklungsprogramme an strategischen Zielen ausrichten, werden zukünftig Schlüsselkräfte leichter für sich gewinnen.

Jedes Unternehmen braucht Mitarbeiter, die über die nötigen fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen verfügen und gleichzeitig eine hohe Leistungsorientierung mitbringen. Diese Leistungsträger zu identifizieren, weiterzuentwickeln und langfristig an den Betrieb zu binden, ist die zentrale Herausforderung eines Talentmanagements. Immer mehr Firmen ersetzen daher Einzelmaßnahmen mittels Gießkannenprinzip durch strukturierte Prozesse, um die richtigen Mitarbeiter zur richtigen Zeit am richtigen Platz zu haben. Investitionen in die Entwicklung der Talente sind aber meist sehr kostenintensiv. Weil in der Krise Budgetkürzungen an der Tagesordnung standen, wurden entsprechende Programme gestoppt oder zumindest deutlich reduziert. Katja Teuchmann, Partnerin von Deloitte Human Capital: „Wir stellen fest, dass Unternehmen nicht mehr bereit sind, zum früheren Status zurückzukehren – sie schauen sich ganz genau an, ob zielgerichtet in strukturierte Weiterbildung investiert wird, die auch die Strategie unterstützt.“ Seit drei Jahren arbeitet die Vienna Insurance Group (VIG) an der Umsetzung eines konzernweiten Talentmanagementprogramms. Der mit 24.000 Mitarbeitern größte Versicherungsdienstleister in Zentral und Osteuropa verfolgt dabei einen stark dezentralen Ansatz: Jede Landesorganisation hat ein eigenes Talentmanagementprogramm, das genau auf die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens ausgerichtet ist. „In dynamischen Märkten, wie beispielsweise Polen, Rumänien oder der Ukraine geht es vor allem um die Qualifikation und Bindung der Führungskräfte“, erklärt Larysa Winter, die als Leiterin Konzern Human Resources mit der Einführung des konzernweiten Talentmanagements betraut wurde.

Talente finden

So hat die VIG eigene Talentepools für Führungskräfte, Experten, aber auch für die junge Generation an Talenten, die noch ganz am Beginn ihrer Karriere stehen, geschaffen. Um in den „Goldfischteich“ zu kommen, sind Fachwissen, Kompetenzen und Erfahrungen, aber auch das persönliche Leistungspotenzial ausschlaggebend. Wer tatsächlich aufgenommen wird, darüber entscheiden zunächst die direkten Vorgesetzten, die Talente nominieren müssen. In der Folge überprüft die HR-Abteilung die Qualität der Nominierung, mittels Auswertung der Ergebnisse aus dem Assessment-Center und dem Performance-Management-System. Außerdem wird von den Nominierten ein aussagekräftiges Motivationsschreiben erwartet. Auch Raiffeisen International (RI), die bereits seit sechs Jahren einen konzernweiten, verpflichtenden Talentmanagementprozess hat, sucht sehr lokal in den Ländern nach ihren Talenten. Die Bank mit großem CEE-Netzwerk und mehr als 56.000 Mitarbeitern setzt dabei stark auf die lokalen Führungskräfte und HR. Thomas Leutgöb, Leiter Learning Development der RI: „Bei der Identifikation von Talenten schauen wir nicht nur auf die Leistung, sondern auch auf die Fähigkeit, schnell zu lernen. Ein Talent kann sich auch in einem neuen Job, in einer neuen Herausforderung schnell bewegen“. Zur Unterstützung setzen die Talent-Scouts hierfür internationale Testinstrumente ein. Nur wenn es um Top-Management Potenziale geht, schreitet auch die HR-Abteilung der Konzernzentrale zum Einsatz.

Lernen in internationalen Programmen

Sind die Talente identifiziert, werden sie durch eigens entwickelte Programme geschleust. Speziell für internationale Nachwuchsführungskräfte hat die RI ein Action Learning Programm im Einsatz, das Manager unterstützen soll, ihre Erfahrungen mit den Kollegen zu reflektieren. Mit Hilfe eines bereits vor der Maßnahme durchgeführten 360-Grad-Feedbacks sowie der Arbeit an Echtfällen soll durch aktuelle Herausforderungen gelernt werden. „Die Lernmethode ermutigt die Führungskräfte, die richtigen Fragen zu stellen anstatt Lösungen, die in der Vergangenheit funktioniert haben, blind zu wiederholen. Während der Implementierung wird dann mit den Kollegen laufend reflektiert, ob die gewünschten Effekte erzielt werden und welche Feinsteuerungsmaßnahmen zu setzen sind“, ist Thomas Leutgöb von der Effektivität der Maßnahme überzeugt. Ebenfalls sehr gut bewährt haben sich bei der VIG die Mobile-Mind-Programme und Knowledge-Trips. Während bei den Mobile-Mind-Programmen die Talente entweder innerhalb des eigenen Bereiches in ein anderes Land oder im Unternehmen in einen anderen Bereich wechseln, werden bei den Knowledge-Trips ein- bis zweiwöchige Aufenthalte zur Wissenserweiterung in anderen Ländern organisiert. Besonders wichtig ist es der Programmverantwortlichen, die internen, erfahrenen Experten in die Ausbildungsprogramme zu integrieren, meint Larysa Winter: „Durch die Einbindung der älteren Generation schaffen wir den Transfer des Wissens zu den Jungen“. Auch ein Mentoring ist vorgesehen, bei dem die Talente für einen Zeitraum von bis zu acht Monaten unterstützt werden. Ein fixer Karriereschritt wird mit der erfolgreichen Absolvierung aber nicht garantiert. „Das Programm ist nicht die Autobahn zu einer bestimmten Position“, betont Winter. Auch die RI gibt ihren Talenten keine Versprechungen ab. „Die Leute wissen, dass der Konzern auf sie baut und in sie investiert. Wenn die Entscheidung für eine neue Position fällig ist, schauen wir uns an, wer dafür das ideale Profil mitbringt“, so Thomas Leutgöb.

Nicht nur Geld allein

Jedenfalls sind sich die HR-Experten bewusst, dass die Bindung der Talente eine zentrale Bedeutung hat. Gerade in den osteuropäischen Märkten ist es üblich, häufiger den Arbeitgeber zu wechseln. Auch wenn die Wirtschaftskrise am CEE Arbeitsmarkt eine Beruhigung gebracht hat, sind Maßnahmen erforderlich, um den Talenten attraktive Bedingungen jenseits der Gehalts- und Bonuspakete zu bieten. „Im CEE-Raum ist Raiffeisen eine attraktive Marke. Damit können wir Mitarbeiter gewinnen“, erklärt HR-Manager Leutgöb. Aber auch Gestaltungsmöglichkeiten und eine familiäre Kultur sind wesentliche Aspekte einer talenteförderlichen Kultur: „Die Talente in CEE schätzen den Freiraum für lokale Eigeninitiative. Sie wissen, dass Leistung gefordert aber auch belohnt wird.“ Auch Larysa Winter bemerkt eine veränderte Einstellung: „Sicherheit und ein stabiler Arbeitsplatz sind wichtiger als vor der Krise. Auch bei jungen Mitarbeitern erhalten Entwicklungsmöglichkeiten und eine Tätigkeit, die Freude macht, zunehmend Bedeutung.“

Der Aufwand lohnt sich

Dass sich der Aufwand für die Umsetzung des Talentmanagements lohnt, davon ist die HR-Verantwortliche der VIG überzeugt: „Wir haben tolle Netzwerke geschaffen, die Kultur ist viel offener geworden und es herrscht auch viel mehr Vertrauen, sich intern zu bewerben als vorher.“ Auch die RI verbucht die Maßnahmen als Erfolg. „Die Manager haben erkannt, dass es ihre Kernaufgabe ist, Menschen zu entwickeln und dass sie auch daran gemessen werden“, gibt Thomas Leutgöb zu bedenken. „Außerdem haben wir Qualitätslevels definiert, die nun als gemeinsamer Rahmen für Führungskräfteentwicklungsprogramme in den einzelnen Ländern gelten.“ Dass in Zukunft zielgerichtetes Talentmanagement auch in anderen Unternehmen an Bedeutung gewinnen werden, davon ist Deloitte-Expertin Katja Teuchmann überzeugt: „Noch sind strategische Personalbedarfsplanungen wenig verbreitet. Diese sind aber wichtig für HR, um den Führungskräften gute Argumente zu bieten.“ Oft sind aber schon viele Bausteine in Unternehmen vorhanden, die nur zu einem sinnvollen Gesamtkonzept zusammengefügt werden sollten. Teuchmann: „Es braucht nicht immer gleich die ganz große Lösung. Man kann auch klein anfangen“.

(Erschienen in SUCCEED 05/10)

Den Beitrag „Viel mehr als Geld“ gibt es auch als Download auf der Seite von Die BILDUNGSMANAGER

Autor: Andrea Jindra

 
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