Wie Sie die innere Motivation stimulieren
Ein Modell haben die beiden US-amerikanischen Wissenschaftler Edward L. Deci und Richard M. Ryan entwickelt. Sie beschreiben in ihrer „self determination theory of motivation“ aus dem Jahr 2000 drei zentrale menschliche Wachstumsbedürfnisse. Sie sind der Motor für persönliche Entwicklung und das Wohlbefinden von Menschen. Und der Drang, diese Bedürfnisse zu befriedigen, ist tief in uns verankert. Für Führungskräfte ist es hilfreich, diesen Bedürfnissen der Mitarbeiter Beachtung zu schenken, denn sie sind die Grundlage für das Entstehen von intrinsischer Motivation und die Grundlage für ein nachhaltiges Lernen.
Die drei Wachstumsbedürfnisse lauten Autonomie, Kompetenz und Beziehung. Sie sind quasi der innere Motor hin zu einer ständigen persönlichen Weiterentwicklung und Zufriedenheit. Sie können allerdings nie endgültig befriedigt werden. Sie sind vielmehr im Verlauf unseres Lebens und im Kontext der verschiedenen Anforderungen, die das Leben an uns stellt, immer wieder relevant. In der Grafik sind sie als „Bedürfnis-Behälter“ dargestellt, die immer wieder gefüllt werden müssen. Stehen die Behälter auf unsicherem Boden, dann verlieren sie leicht an Inhalt, oder es ist schwierig, sie zu füllen. Deshalb ist Sicherheit die Basis, die den drei Behältern einen festen Stand verleiht. Sicherheit geben uns zum Beispiel wichtige Bezugspersonen, die uns unterstützen. Auch eine Führungskraft ist eine solche Bezugsperson, die Mitarbeiter bei ihrem persönlichen Wachsen und Lernen begleitet.
Wie können Führungskräfte ihre Mitarbeiter so begleiten, dass sie diese drei Wachstumsbedürfnisse bedienen und die Behälter gefüllt bleiben?
Autonomie stärken
Das Wachstumsbedürfnis Autonomiestärken Führungskräfte zum Beispiel, indem sie ihre Mitarbeiter aktiv an der Gestaltung der relevanten Vertriebsziele beteiligen oder sie diese sogar selbst bestimmen lassen. Untersuchungen haben gezeigt: Relevant ist dabei nicht allein der reale Grad der Selbstbestimmung bei Entscheidungen, sondern auch die gefühlte Entscheidungsfreiheit.
Vertrauen Sie deshalb als Führungskraft stärker auf die Kompetenz Ihrer Mitarbeiter, zum Beispiel Märkte zu bearbeiten und Probleme zu lösen. Und wenn diese Ihnen Konzepte für das geplante Vorgehen zeigen, in denen Sie Unstimmigkeiten entdecken? Dann agieren Sie als Coach. Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern zwar andere Sichtweisen auf, doch lassen Sie die Lösungskompetenz bei ihnen. Fragen Sie Ihren Mitarbeiter zum Beispiel, wie er den Stolperstein X oder Y beseitigen will oder die Kunden überzeugen möchte. Viele Führungskräfte agieren bevorzugt als Kritiker oder gar als Tipp-Geber nach dem Motto „Ich weiß genau, was Sie machen müssen, damit Sie erfolgreich werden“. Doch was ist, wenn das nicht funktioniert?
Selbstwirksamkeit stärken
Ein weiteres Wachstumsbedürfnis von Menschen ist, dass wir uns, in dem, was wir tun, gerne als selbstwirksam erleben möchten – also das Gefühl haben möchten „Wir können etwas bewirken“ und dies auch so erleben.
Das Gefäß der Selbstwirksamkeit füllen Führungskräfte, indem sie den Mitarbeitern Vertrauen in deren Können signalisieren. Geben Sie als Führungskraft also zeitnahes Feedback, wenn Sie Positives an deren Umsetzung erleben. Ein routinemäßiges „Lob vom Chef“ kann zwar die persönliche Bindung stärken, doch die Selbstwirksamkeit Ihrer Mitarbeiter stärken Sie eher durch ein qualifiziertes, wertschätzendes und tatsachen-fundiertes Feedback. Beschreiben Sie Ihre positiven Beobachtungen konkret: Was haben Sie bei Ihrem Mitarbeiter gesehen, gehört und erlebt? Je konkreter Sie Feedback geben, desto besser fühlen sich Ihre Mitarbeiter betreut. Sie erleben sich selbstwirksam und kompetent. Fragen Sie Ihre Mitarbeiter auch, welche ihrer Stärken – wie Ausdauer, Enthusiasmus oder Kreativität – sie für einen Erfolg eingesetzt haben. Dadurch wird Ihrem Mitarbeiter bewusst, wie er den Erfolg aus sich heraus bewirkt hat. Das ist ein Schritt, das Gefäß zu füllen und die innere Motivation zu wecken. Denn wer erlebt sich nicht gerne als Gestalter und wächst am Erfolg?
Aber was ist, wenn sich ein Erfolg nicht sofort einstellt? Wenn Sie sich die Stärken der Mitarbeiter merken, können Sie bei Schwierigkeiten danach fragen. Zum Beispiel: „Könnten Sie das Problem auch mit einer anderen, unkonventionelleren Methode angehen, bei der Sie Ihre Stärken „….“ und „….“ ausspielen?
Bindung stärken
Mit der Haltung „Sie haben die Lösung in sich“ stärken Führungskräfte auch das Wachstumsmotiv Bindung bei ihren Mitarbeitern. Es entsteht eine menschliche Nähe durch das Gefühl „Ich werde als Individuum wahr- und ernstgenommen“. Wenn sich ein Mitarbeiter hingegen primär als Mittel zum Erreichen der persönlichen Ziele seiner Führungskraft erlebt, entsteht selten eine echte Bindung. Eine Begegnung voller Wertschätzung, die geprägt ist von der Haltung „Ich schenke Ihnen meine volle Aufmerksamkeit“ fördert hingegen den Zusammenhalt. Wenn Sie als Führungskraft darüber hinaus den Rahmen so gestalten, dass ein tragfähiges Vertriebsteam entstehen kann, trägt dies alles zu einem immer mehr gefüllten Gefäß Bindung bei.
Mit positiven Gefühlen Herausforderungen meistern
Decy und Ryan brachten auch die Begriffe „intrinsische“ und „extrinsische Motivation“ in die Positive Psychologie ein. Wer intrinsisch motiviert ist, engagiert sich aus vollem Herzen und mit voller Leidenschaft. Eine intrinsische Motivation erhöht also die Leistungsfähigkeit sowie die Ausdauer und Fähigkeit, Probleme zu lösen. Zugleich entsteht hierdurch ein Bündel positiver Gefühle. Denn wer seine Arbeit intrinsisch motiviert, also gerne tut, ist auch kreativer, leistungs- und widerstandsfähiger. Das belegen mehrere Studien der US-amerikanischen Forscherin Barbara Frederickson, Direktorin des Labors für Positive Psychophysiologie der Universität Michigan. Frederickson entwickelte eine Theorie, die unter anderem besagt, dass, wenn wir positive Gefühle haben, unser Gedanken- und Handlungsrepertoire erweitert wird; außerdem verfügen wir dann nachhaltig über mehr Energie, Ausdauer und Überzeugungskraft. Positive Gefühle wirken also in die Zukunft hinein. Das kennt jeder aus eigener Erfahrung: Wenn wir auf einer Welle positiver Emotionen reiten, erscheint uns (fast) kein Problem so groß, dass wir es nicht bewältigen könnten.
Ebenso verhält es sich bei Ihren Mitarbeitern. Wenn sie ihrer Arbeit mit positiven Gefühlen begegnen, dann meistern sie auch leichter solche Schwierigkeiten wie einen hohen Termindruck oder Kunden, die mit ihrer Kaufentscheidung zögern. Denn sie gehen diese Herausforderungen mit einer anderen Haltung an, was auch die Kunden spüren. Also müssen auch Sie als Führungskraft seltener intervenieren beziehungsweise unterstützend aktiv werden – was auch Sie entlastet. Auch deshalb lohnt sich für Führungskräfte eine Beschäftigung mit der Positiven Psychologie.
Lesen Sie in Teil 1 über die Positive Psychologie im Vertrieb
Über den Autor:
Uwe Reusche ist einer der beiden Geschäftsführer des ifsm Institut für Sales- und Managementberatung, Urbar bei Koblenz, das unter anderem zertifizierte Sales Coachs ausbildet.